Ist es eine MPC? Ist es ein Push? Ist es eine Maschine? Nein – es ist Akai Professionals Force! Der Musikhardware-Hersteller aus Tokyo hat seit der Veröffentlichung erster Bilder auf der Winter-NAMM 2019 die Gerüchteküche zum Kochen gebracht. Nicht zuletzt, weil sich Force designtechnisch enorm an der oben genannten Verwandtschaft orientiert. Doch bei genauerem Hinsehen wird klar, dass Akais neuester Streich seine ganz eigene Richtung einschlägt: Standalone ist das Zauberwort, denn Akais Force soll gänzlich ohne Computer und zugehöriger DAW auskommen. Ob und inwiefern die Features des Instruments mit der Vielseitigkeit eines computerbasierten Setups mithalten können und der Force letztendlich seinen Namen verdient, zeigt dieser Test.
Überblick
Dass Akais Force den Computer als Herzstück für Produktion und Performance ablösen soll, äußert sich bereits daran, dass die Japaner ein Audiointerface direkt in das Instrument implementiert haben. So können über XLR- und Klinkeneingänge Klänge aufgenommen, gesampelt oder geloopt werden. MIDI-, CV- und USB-Anschlüsse erlauben die Kommunikation mit anderen Geräten – z. B. mit einem externen MIDI-Keyboard. Zahlreiche Audioeffekte und vier vielseitige Softsynths der Firma Air Music Tech erlauben es dem Force, komplett aus sich selbst heraus eine große Menge an Sounds zu generieren sowie externe und eigene Klänge zu verfeinern. 10 der 16 GB Speicherplatz sind von Werk aus vollgepackt und können z .B. per SD-Karte erweitert oder durch eigene Samples ersetzt werden.
Die 8x8 Pad-Matrix erinnert an Ableton Push oder NI Maschine, ist Velocity- sowie Pressure-empfindlich und sogar splitbar. Gleichzeitig entlarvt sie den Force als clipbasiertes Instrument. 60 Clips und 128 Spuren pro Force-Projekt bilden den Rahmen des Möglichen, eine Einschränkung, die es bei DAWs à la Ableton so nicht gibt. Eyecatcher ist allerdings das 7“-Touchdisplay im Stile moderner MPCs. Es kann verschiedenste Menüoberflächen gänzlich unabhängig von der Pad-Matrix anzeigen und soll so für einen schnellen und flexiblen Workflow sorgen. Abgerundet wird das Instrument von acht beliebig belegbaren Endlos-Encodern bzw. Cue Link Controls und einem Crossfader, der ebenfalls frei zugewiesen werden kann.
Haptik und Verarbeitung
Rein physisch macht der Force seinem Namen schon mal alle Ehre. Maße von 350 x 389 x 72,5 mm sind nicht zu verachten und tatsächlich ist der Force damit deutlich breiter und höher als z. B. ein Ableton Push, wenn auch minimal kürzer. Zusätzlich zeugt das Gewicht von 3,87 kg von einem voll ausgewachsenen Instrument und zusammen mit der gelungenen sonstigen Verarbeitung macht der Force einfach einen wertigen Eindruck. Lediglich das optische Design der Kühlschlitze an den Seitenrändern ist mit seinem Gaming-PC-Style Geschmackssache, dafür aber immerhin effizient.
Die 64 Trigger Pads liegen vom Spielgefühl irgendwo zwischen Push und APC, ansonsten unterscheidet sich hier wenig von der Konkurrenz. Im Vergleich dazu erzeugen die Funktionstasten rundherum ein leichtes Klicken, sodass man stets bemerkt, ob der Druck erfolgreich war, oder man versehentlich von der Pad-Matrix abgekommen ist. Die berührungsempfindlichen Endlos-Encoder sind in ausreichendem Abstand gesetzt und weisen zwar einen angenehm gleichmäßigen Regelweg auf, könnten aber eine griffigere Oberfläche haben. Allerdings ist sehr praktisch, dass sich die aktuellen Einstellungen der Encoder an kleinen Extra-Displays abgelesen lassen, statt den wertvollen Platz des Touchscreens zu beanspruchen.
Apropos Touchscreen: Auch, wenn das 150 x 98 mm große Display in Sachen Empfindlichkeit nicht mit aktuellen Smartphones konkurrieren kann, ergänzt es die Bedienoberfläche des Akai Force auf spannende und innovative Weise – aber dazu mehr im Praxisteil. Neben dem Bildschirm befinden sich auf der oberen Hälfte des Akai Force wieder zahlreiche Funktionstasten, etwa Transport, Navigation und Browser. Statt per Touchscreen kann die Bedienung auch per Dreh- und Druckbewegung mittels Data Dial oben rechts erfolgen.
Positiv hervorzuheben ist die Tastaturbeleuchtung des Akai Force, denn auch ein derartig komplexes Gerät kommt trotz zahlreicher Buttons und Taster nicht ohne Doppelbelegungen aus. Deshalb ist es sehr hilfreich, wie beim Force alle Funktionen mittels Hintergrundbeleuchtung auch bei schlechtem Licht erkennbar bleiben. Dabei hilft auch die Farbe des Lichts, stets den Überblick zu behalten und macht besondere Funktionen direkt erkennbar.
Anschlüsse und Lieferumfang
An der Rückseite des Force befinden sich vier 6,35mm-Klinkenausgänge, wovon zwei frei routbar als Monitor Out oder Submix fungieren können. Direkt darüber liegen vier 3,5mm-Klinkenausgänge für CV-Gate- und CV-Clock-Signale sowie MIDI In, Out und Thru, ebenfalls als Miniklinke. Zwei XLR/Klinke-Kombibuchsen mit separaten Gain-Reglern sowie Schaltern für Instrumentenimpedanz und Phantomspeisung dienen als Audioeingänge. Zwischen den Ausgängen befindet sich die übliche Kensington Diebstahlsicherung.
Gleich zwei USB-Ins für USB-Sticks und Co. sowie Akais großer USB-Anschluss für die Verbindung mit dem Computer runden das Utility-Paket des Force zusammen mit dem Ethernet-Link-Anschluss ab. Letzterer erlaubt es, Akais Force mit Ableton Link und anderer kompatibler Hard- oder Software zu verbinden. Zu guter Letzt gibt es noch den Eingang fürs Netzteil und einen Power-Schalter, die übrigen Anschlüsse befinden sich an der Vorderseite des Force. Geschickterweise sind dort nämlich der 6,35mm-Kopfhörerausgang mit separaten Reglern für Phones und Cue Mix, sowie ein SD-Kartenslot angebracht. Darüber hinaus kann der interne 16 GB Speicher, ähnlich wie bei der MPC, durch die Installation einer 2,5“ SSD oder HDD Festplatte aufgerüstet werden.
Zusätzlich lässt sich der Force drahtlos über WLAN oder Bluetooth mit entsprechenden Keyboards oder Computertastaturen verbinden. Im Lieferumfang enthalten sind eine Schnellstartanleitung, das externe Netzteil, ein Putztuch fürs Touchscreen und drei Adapter für die MIDI-Miniklinken. Auf letztere hätte Akai lieber verzichten und direkt die großen MIDI-Buchsen einbauen sollen, schließlich wird Force als Instrument der Oberklasse vermarktet.
Der Touchscreen
Das 7“-Touchdisplay ist beinahe 1:1 von der aktuellen MPC übernommen worden – nur kippen lässt es sich nicht. Dafür kennt es gängige Befehle wie Pinch-to-Zoom oder Vergrößerung per Doubletap. So entsteht direkt ein vertrautes Bedienungsgefühl, obwohl kaum ein anderes Instrument mit derartigen Touchscreens arbeitet. Nach dem Boot Up gelangt man zur Auswahl der Demo Projects des Force und kann sofort loslegen – wenn das ausgewählte Projekt fertig geladen ist. Das kann je nach Umfang schon mal etwas dauern und fühlt sich herzlich wenig nach einer Entwicklung weg von computerbasierten Setups an.
Im fertig geladenen Projekt befindet sich der Touchscreen zunächst im Matrix-Mode und zeigt die 8x8 Clip-Matrix an, wobei alle Namen und Farben automatisch übernommen werden. Per Berührung können Clips direkt vom Display gestartet, gecuet oder gestoppt werden und die interaktive Anzeige gibt stets Aufschluss darüber, welcher Clip gerade ausgewählt wurde. Oben rechts im Display lassen sich, natürlich ebenfalls per Touch, BPM und Tonart einstellen, weitere Tracks können über das Pluszeichen in der obersten Zeile hinzugefügt werden. Gerade wer den Umgang mit Push und Co. gewöhnt ist, wird sich hier schnell zurechtfinden.
Über die Funktionstasten links neben dem Touchscreen können nicht nur gängige Transport- und Bearbeitungsoptionen ausgewählt, sondern auch die aktuelle Ansicht des Displays geändert werden. So gibt es neben dem Matrix Mode noch den Clip Mode, wo sich Clips je nach Inhalt flexibel bearbeiten lassen. Bei Samples geschieht das beispielsweise im MPC-Stil, sodass über das Touchdisplay gecropt, gechopt und getrimmt werden kann. MIDI-Clips lassen sich über einen Stepsequencer bearbeiten, wobei Force automatisch erkennt, ob es sich um ein Melodieinstrument handelt und entsprechend eine Pianoroll einblendet.
Im Mixer Mode fungiert das Display als Master Mixer für das aktive Projekt. Hier hat sich der Zoom über Doubletap als überaus nützlich erwiesen, weil so jeder beliebige Parameter vergrößert werden kann. Das ermöglicht angenehmste Kontrolle über Lautstärke, Panning, FX-Sends etc., und das in Sekundenschnelle – super gemacht! Spätestens jetzt macht sich bemerkbar, wie interaktiv die einzelnen Bedienelemente des Force miteinander verknüpft sind. So können die Mixer-Funktionen zusätzlich mittels der acht Endlos-Encoder unterm Display und über die Pad-Matrix gesteuert werden.
Cue Link Controls
Nicht nur der Touchscreen, sondern so ziemlich alle Bedienelemente des Force verfügen über diverse Bearbeitungsmodi. Bei den Endlos-Encodern, die Akai als Cue Link Controls bezeichnet, ist das ebenso der Fall und es bietet sich die Auswahl zwischen einer Menge nützlicher Variationen. Hält man den Knobs-Funktionstaster gedrückt, kann auf dem Touchscreen der entsprechende Modus ausgewählt werden. Im Mixer Mode steuern die Encoder die Lautstärke der Tracks, Pan und FX-Sends teilen sich den nächsten Modus. Besonders nützlich ist der Screen Mode, wo die Cue Link Controls automatisch die Parameter auf dem Display steuern.
So können verschiedenste Plugins sofort intuitiv und spielend gesteuert werden, ohne zuvor entsprechende Presets erstellen zu müssen, dafür gibt es schließlich den Track-Mode. Auch wenn hier zunächst eine von Akai vorgenommene Auswahl geladen wird, erlaubt die Tastenkombination Shift und Knobs die individuelle Belegung der Encoder. Für Performances bieten sich hier Filter und FX-Sends an und wieder überzeugt der Force durch einen schnellen und effizienten Workflow.
Pad Matrix
Den meisten Platz nimmt die 8x8 Button Matrix auf der unteren Hälfte des Force ein: 64 hintergrundbeleuchtete und anschlagsdynamische RGB-Buttons, darunter nochmal 16 schmalere hintergrundbeleuchtete Schalter für Track-Select sowie Mute, Solo, Record Arm und ClipStop. Rechts neben der Matrix befinden sich acht Launch-Buttons für die Scenes sowie zwei Schaltflächen für Master und Stop All. Links sind wie beim Touchscreen wieder verschiedene Funktionstasten, um die Clips in verschiedene Modi wie Launch, Note, Stepsequencer oder Arpeggiator zu versetzen. Letzterer beherbergt übrigens auch Beatrepeat-Funktionen. Als Bonus gibt es noch Taster für oft gefragte Aufgaben wie Select, Edit, Copy und Delete dazu – ein Hoch auf flache Menüstrukturen. Gerade in der Pad Matrix macht sich die bereits gelobte, interaktive Hintergrundbeleuchtung bemerkbar, denn sie kodiert die Schaltflächen sowohl in Funktion als auch Status für optimale Orientierung.
Die erwähnten Modi Launch, Note Grid, Stepsequenzer und Arpeggiator sind für sich betrachtet aus herkömmlichen Produktionsprozessen bekannt, der Clou ist aber, dass man beim Force mehrere dieser Ansichten parallel bedienen kann. Auf dem Touchscreen lässt sich noch eine zusätzliche Oberfläche anzeigen und die Cue Link Controls sowie der Crossfader erlauben noch mehr unabhängige Bedienung. Selbst wenn Akai mit den implementierten Modi das Rad nicht unbedingt neu erfunden hat, ist es diese Flexibilität, die den Workflow des Force auszeichnet. Trotzdem verfügen auch Note Mode, Stepsequenzer und Co. über derartig viele Features, dass sie auch alleine die 64 Pads sinnvoll belegen könnten.
Fazit
Wenn eine Einschränkung des Force ins Auge sticht, dann ist es die Begrenzung der Audio- und Plugin-Spuren auf jeweils acht. Allerdings bezieht sich die Begrenzung der Audiospuren primär auf lange Samples, weil kürzere Klänge problemlos mittels Sampler auf den 112 verbleibenden Tracks implementiert werden können. Da stören eher die langen Ladezeiten beim Öffnen von Projekten, wobei der Force ansonsten sehr flüssig läuft und auch Timing-basierte Effekte wie Drumrolls mittels Beatrepeat beinahe latenzfrei über das Touchpad performt werden können.
Durch die kaum von der Hand zu weisende Verwandtschaft mit der MPC eignet sich der Force besonders für samplebasiertes Arbeiten. Die vier VST Hype, Tube Synth, Bassline und Electric sind allesamt sehr brauchbar und vielseitig, ihre genaue Beleuchtung hätte aber den Rahmen des Tests gesprengt, sodass der Fokus primär auf Workflow und Bedienbarkeit an sich gelegt wurde. Dennoch ist das Softwarepaket des Force so nicht mit einer voll ausgestatteten Library computerbasierter DAWs zu vergleichen.
Die Frage ist, ob er das bei der gelungenen Bedienbarkeit überhaupt muss. Standalone ist der Kampfbegriff des Marketings, wenn es um Akais Force geht und doch macht er sich hervorragend in bestehenden Setups – egal ob modular über CV, per MIDI, USB oder sogar kabellos. Auch als dedizierter Ableton Controller identifiziert sich der Force nicht so gern, obwohl im Test gezeigt wurde, wie er die Konkurrenz immer wieder mit seinen Möglichkeiten im Regen stehen lässt. Es ist kein Geheimnis, dass die Standalone Promotion gezielt den Eindruck erwecken will, dass Force alles ist, was Musizierende brauchen, doch diese Isolation vergeudet eine Menge Potenzial.
Statt Standalone ist Standout die Devise des Force – alleine UND mit anderen Instrumenten. So hochgestochen Akais Anspruch mit dem Force ein revolutionäres Instrument zu erschaffen auch klingt, ist das Ergebnis doch erstaunlich gut gelungen. Die Zeit muss zeigen, wie Nutzende und die Konkurrenz auf die Innovationen der Japaner reagieren. Bis dahin macht so ziemlich niemand beim Kauf des Force etwas falsch, solange das Geld reicht und ein Interesse am modernsten Bedieninterface aller Musikinstrumente unserer Zeit besteht.
Pro
Revolutionäres Interface mit Pad Matrix, Touchscreen und Cue Link Controls
Unzählige Features für detailgetreues Sound- und Performance-Shaping
Auch als DAW-Controller oder per Ableton Link mit anderen Devices nutzbar
Kontra
Nur acht Audio- und Plugin-Spuren pro Projekt
Teilweise lange Ladezeiten
Nur vier VSTi
Preis:
1190,00 EUR
Weitere Informationen gibt es auf der Website von Akai Professional.
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