Nicht nur eingefleischte Behringer-Fans dürften voller Vorfreude darauf gewartet haben: Mit dem Pro-800 bringt der malaysische Hersteller nach einer Serie von Neuauflagen verschiedener monofoner Vintage-Synthesizer nun auch einen analogen Poly-Synth auf den Markt. Der Pro-800, der ganz klar als ein Klon des 1982 von Sequential Circuits vorgestellten und etwas weniger populären Prophet 600 gelten darf, sorgt dabei nicht nur durch seinen sehr attraktiven Preis von ca. 390 Euro (Stand Juli 2023) für Furore und Euphorie. Statt ursprünglich sechs Stimmen spendiert Behringer dem Pro-800 gleich 8-fache Polyfonie und auch darüber hinaus stecken in dem kompakten Gehäuse einige nützliche neue Features und Einstellungsmöglichkeiten, die das langfristig bewährte Konzept zeitgemäß erweitern sollen. Wie sich dieses vielversprechende Gerät in der Praxis schlägt, zeigt dieser Test.
Quick Facts
- Analoger Signalpfad mit 2 Oszillatoren
- 8-fache Polyfonie
- Eurorack-kompartibel
- Platz für 400 Presets
- Arpeggiator und Sequenzer
- Steuerbar über MIDI-CC
Aussehen und Design
Wie 1982 weitestgehend üblich, war der Prophet 600 ein Full-Size Synth mit integrierter Tastatur und bühnentauglichen Dimensionen. Der Pro-800 kommt dagegen im kompakten und Eurorack-kompatiblen Desktop-Format daher und sollte mit Maßen von 424 x 136 x 97 mm und einem reisetauglichen Gewicht von 1,65 Kilo in jedem Setup problemlos einen Platz finden. Dank eines zweiten Netzteilanschlusses kann der Synth mit einer Breite von 80 TE im Eurorack untergebracht werden und dort als potente Synth-Stimme zum Einsatz kommen. Ein cooles Feature – auch wenn die Modulationsmöglichkeiten des Pro-800s mit einem CV-Input dabei eher überschaubar sind.
Abgesehen vom abweichenden Format ähnelt der Pro-800 in seinem Aussehen sehr stark seinem Retro-Vorbild: Ein mattschwarzes Gehäuse mit weißer Beschriftung und Seitenteilen in Holzoptik geben dem Gerät eine hochwertige und zugleich zeitlose Optik. Einzig die recht großflächige Navigationssektion mit den heute eher unüblichen Folientasten, die zusammen mit dem Display etwa ein Drittel der Oberfläche einnimmt, wirkt sowohl im Aussehen als auch in ihrer Handhabung etwas aus der Zeit gefallen und trübt das sonst klare und aufgeräumte Design des Gerätes ein wenig. Hier hätte ein wenig mehr Abweichung vom Original zugunsten einer modernen Optik und etwas einfacheren Bedienbarkeit durchaus gut getan, wobei hier der Kaufpreis natürlich nachvollziehbare Kompromisse mit sich bringt.
Verarbeitung und Anschlüsse
Kaum zu spüren ist dieser dagegen bei der Verarbeitungsqualität: Das Metallgehäuse macht einen sauber gearbeiteten und belastbaren Eindruck und die verbauten Potis aus Kunststoff besitzen einen angenehmen Widerstand beim Drehen. Einzig die ohnehin recht kleinteiligen Plastik-Kippschalter sitzen dagegen etwas wackelig, sodass man damit in der Praxis lieber etwas zaghafter hantiert.
Die sehr aufgeräumte Geräte-Rückseite und die dort vorhandenen Anschlussmöglichkeiten wirken auf den ersten Blick zunächst etwas nüchtern: Neben einer Reihe von Kippschaltern für das Festlegen des MIDI-Kanals finden sich dort ein Line-Ausgang sowie ein Fußschalter-Eingang mit jeweils 6,3 mm, ein MIDIIn/Out-Port sowie eine USB-Schnittstelle, die für das Senden und Empfangen von MIDI-Daten verwendet werden kann. Weitere Anschlüsse finden sich jedoch einfach zugänglich auf der Vorderseite des Synthesizers: Neben einer weiteren MIDI-In-Buchse verfügt der Pro-800 dort über einen Sync-Eingang, einem Filter-CV-Eingang sowie einem weiteren Lineout und einem Kopfhörer-Ausgang – alle jeweils mit 3,5-mm-Klinke. Damit hat der Pro-800 in Sachen Konnektivität alle Standard-Anschlüsse an Bord, die man für den Einsatz in modernen Audio-Setups braucht.
Menü und Workflow
Weniger konventionell ist dagegen seine Navigation: Um am Pro-800 tieferliegende Parameter zu bearbeiten, muss man sich mit einer Reihe von Tastenkombinationen aus Settings- oder Perc-Taste, einer bestimmten Ziffer des Nummernblocks und dem Value-Drehregler durch die einzelnen Untermenüs arbeiten – natürlich hilft das verbaute Display bei der Orientierung und zeigt den Namen des jeweiligen Wertes an, dennoch bleibt der Zugriff auf die Menüeinstellungen ein etwas sperriges Unterfangen. Die hohe Anzahl der Tastenkombinationen macht es nahezu unmöglich, sich diese alle zu merken.
Da man einige der Einstellungen jedoch auch beim Erstellen von Patches hin und wieder benötigt (z. B. Änderung der LFO-Shape), empfiehlt es sich, den jeweiligen Abschnitt des Benutzerhandbuches als Spickzettel parat zu halten. Das Abspeichern der bis zu 400 Nutzer-Presets erfolgt ebenfalls über die für heutige Standards eher unkonventionelle Eingabe per Nummernblock. Auch wenn das Abtauchen in Menüs beim Pro-800 dank seines Hand-on-Konzeptes eher die Ausnahme sein dürfte: Hier wäre eine etwas nutzerfreundlichere und weniger verwirrende Bedienungsweise ein wirklich wertvolles Upgrade zum Original gewesen.
Signalpfad und Programmierung
Pro Stimme verfügt der Pro-800 über zwei separate Oszillatoren (VCOs), die jeweils synchron oder unabhängig voneinander angespielt werden können. Beide VCOs kennen die Kurvenformen Sägezahn, Dreieck und Pulswave, welche per Kippschalter zu- und weggeschaltet und somit auch kombiniert werden können. Die Frequenz beider Oszillatoren lässt sich per Drehregler über vier Oktaven stimmen, Oszillator B erlaubt außerdem das Feintunig von bis zu einem Halbton. Pulslaufweite und Lautstärke sind ebenfalls jeweils per separatem Drehregler steuerbar.
Darüber hinaus verfügt der Synth über einen Rauschgenerator, der per Drehregler zum Signal gemischt werden kann. Das Signal kann über das analoge Tiefpassfilter mit 24 dB/Okt bearbeitet werden. Die Filtersektion bietet dazu klassischerweise drei Drehregler zur Bestimmung von Frequenz, Resonanz und Hüllkurven-Intensität. Per Kippschalter lässt sich das Filter außerdem per Keytracking – also über ein externes MIDI-Keyboard – ansteuern. Das Filter selbst hat einen eher weichen Klang und kann bei hohen Resonanzwerten zur Selbstoszillation gebracht werden, was eine ganze Spielwiese an Möglichkeiten eröffnet.
Zwei Hüllkurven kontrollieren jeweils Amplitude und Filter und lassen sich per Drehregler ansteuern. Während der Prophet-600 für eher sanftere Transienten bekannt war, hält Behringers Pro-800 dank GliGli-Update gleich mehrere Hüllkurven-Modi parat. Im Menü lassen sich dazu die Einstellungen Fast Exp, Fast Lin, Slow Exp, Slow Lin auswählen und damit deutlich härtere Anschläge sowohl des Filters als auch der Amplitude erzielen. Als Reaktion auf den Wunsch vieler Erstnutzer:innen wurde mit dem von Behringer zügig nachgelieferten Update 1.26 die Hüllkurven noch einmal optimiert und "nachgeschärft", wodurch das Gerät nun einen noch aggressiveren Klangcharakter ermöglicht und damit griffige Plug-Sounds, aber auch perkussive Töne noch besser beherrscht. So weit – so gewöhnlich.
Modulationsmöglichkeiten
Um den bis hierhin noch eher linearen Sounds eine zusätzliche Portion Dynamik und Eigenleben zu verleihen, verfügt der Synth über zwei separate Modulationssektionen. Über die Poly-Mod-Sektion lassen sich Oszillator A und Filterfrequenz durch Filter-Hüllkurve und Oszillator B modulieren. Das Modulationsziel wird dabei durch Kippschalter zugewiesen, für die Modulationsquellen steht jeweils ein Drehregler parat. Ein weiterer LFO steuert die optionalen Modulationsziele Pitch, Pulsweite und Filterfrequenz an und kann in den sechs verschiedenen Wellenformen Dreieck, Rechteck, Sinus, Sawtooth, Random und Noise oszillieren.
Ein wenig sperrig ist dabei jedoch deren Auswahl: Über das Menü werden die Wellenformen jeweils als Zweierpaare einem Kippschalter zugewiesen, über den dann jeweils zwischen den beiden gewählten Typen hin- und hergeschaltet werden kann. Ein schnelles Durchschalten der Wellenformen ist ohne Abtauchen in das Menü so leider nicht möglich. Hier wäre die Auswahl per zentralem Drehregler deutlich praktischer und würde gerade bei mehrmaligem Wechseln den umständlichen Weg über das Menü ersparen.
Neben dem Geschwindigkeitsmodus (Fast/Slow) kann im Menü außerdem festgelegt werden, ob der LFO beide oder nur einen der beiden Oszillatoren als Modulationsziel ansteuert. Gerade Letzteres bietet reichlich Potenzial für komplexere Sounds, beispielsweise lassen sich damit interessante Pitch-Drift-Effekte oder organische Texturen zaubern. Neben dem als Standard eingestellten Poly-Modus lässt sich der Pro-800 per Schieberegler wahlweise in Unison spielen oder per Chord-Modus betreiben, indem eine eingespielte Tonfolge gespeichert und über die ganze Klaviatur transponiert wird. Der Synth besitzt außerdem eine Glide-Funktion, die per Drehregler dosiert wird. Ein weiteres wertvolles Performance-Feature, das sich jedoch etwas im Menü versteckt, ist die mögliche Kontrolle von VCA, VCF und LFO per Aftertouch.
Arpeggiator und Sequenzer
Der Pro-800 verfügt über einen eher simpel gehaltenen Arpeggiator, der die vier Modi Auf, Ab, Auf-und-Ab und Auf-dann-Ab beherrscht und per Folientaste aktiviert wird. Eine erweiterte Transponierung der Tonfolge erlaubt der Synth dabei (bisher) leider nicht, wodurch die möglichen Spielarten recht überschaubar sind. Ein wenig mehr kreatives Chaos ermöglicht jedoch zumindest das Abspielen der Tonfolge in zufälliger Reihenfolge per Arp-Assign-Taste. Für fortlaufendes Spiel kann der Arpeggiator per Tastenkombination oder Sustain-Pedal in den Hold-Modus versetzt werden.
Zum einfachen Einspielen und Loopen von Sequenzen besitzt der Pro-800 außerdem einen internen Sequenzer mit zwei Speicherbänken, die zusammen 400 Noten umfassen können. Überschreitet man dieses Limit, werden automatisch Noten aus dem hinteren Teil der Aufnahme der jeweils anderen Bank gelöscht. Die aufgenommene Sequenzen gelten global und können somit leider nicht in den Speicherslot eines einzelnen Patches geschrieben werden.
Die Wiedergabegeschwindigkeit kann per Speed-Taste bis zu viermal geteilt oder multipliziert werden, was unter anderem das praktische Einspielen von längeren Sequenzen ermöglicht. Nicht möglich ist dagegen jedoch das nachträgliche Editieren oder teilweise Überschreiben einer Sequenz. Für das spontane Abspeichern von Ideen kann der Sequenzer damit zwar ein hin und wieder nützliches Feature sein – um das volle Potenzial des Synths auszuschöpfen, ist externes Sequenzieren oder Spielen per Aftertouch-fähiger MIDI-Tastatur allerdings unverzichtbar.
Sound
Der Pro-800 ist ein Instrument, das trotz seiner für heutige Maßstäbe vergleichbar geringen Komplexität ein erstaunlich vielseitiges Repertoire an Sounds hervorbringen kann. Insbesondere die für das Original charakteristischen Leads, String- und Pad-Sounds programmieren sich fast wie von alleine und tragen dabei – ob man will oder nicht – eine saftige Portion 80er-Jahre-Nostalgie in sich. Genauso lassen sich dank GliGli-Update und den knackigeren Envelopes nun auch perkussivere Klänge aus der Maschine locken, wodurch der Synth neben dem absolut lohnenswerten Abklappern altbekannter Sweetspots durchaus zum Experimentieren einlädt. Sein Klangcharakter ist dabei – wie man es für einen analogen Tonerzeuger erwartet – wunderbar warm und ausgewogen, wenn auch ein wenig dominanter in den Höhen. Externe Effektgeräte helfen zweifellos dabei, die Klänge des Pro-800 durch Tiefe und Raum auf ein nächstes Level zu heben, es lassen sich aber bereits auch mit den Bordmitteln sehr interessante und überzeugende Sounds herstellen.
Alternativen
Fazit
Der Pro-800 bleibt dem Konzept seines Vintage-Vorbilds treu – extravagante Synthese-Formen und breitgefächerte Modulationsmöglichkeiten sucht man bei Behringers Neuinterpretation vergebens. Vielmehr bleibt der Klon trotz gut ausgewählter und überschaubarer neuer Features erfrischend simpel und durch seine selbsterklärende Bedienungsweise macht es eine Menge Spaß, ihn zu programmieren und zu spielen. Der kompakte Synth besticht weder durch ein besonders hohes Maß an innovativen Features noch mit einer herausragenden Verarbeitungsqualität, sondern zum einen mit einem attraktiven Preis und seinem damals wie heute exzellenten und zeitlos guten Klang. Wer auf der Suche nach authentischem 80er-Sound oder einfach nach einem klassischen analogen Polysynth ohne unnötigen Schnickschnack ist, der bekommt mit dem überarbeiteten Vintage-Klon aus dem Hause Behringer ein Instrument mit hohem Spaß-Faktor für einen mehr als fairen Preis, für den man die teilweise etwas antiquierte Bedienungsweise sehr gerne in Kauf nimmt!
Pro
Authentischer Analog-Sound
Flache Lernkurve
Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
Kontra
Teilweise sperrige Bedienungsweise
Limitierter Sequenzer
Preis:
369 EUR
Weitere Informationen gibt es auf der Website von Behringer.
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