Seit 2016 bringt Pioneer DJ im Rahmen der Toraiz-Serie immer mal wieder Musikhardware speziell für Performance und Produktion auf den Markt. Nach dem Sampler und Sequenzer SP-16 sowie dem AS-1 Analogsynth wurde im April 2019 der Multitrack-Sequenzer Squid veröffentlicht. Der Hype ist groß, denn der Squid soll mit zahlreichen, innovativen Features das Step-Sequencing aufs nächste Level bringen – und das im Zeitalter von Digitakt und Co. Wie viel Gehalt letztendlich hinter dem ambitionierten Vorhaben steckt, zeigt dieser Test.
Die Features im Überblick
Der Toraiz Squid ist ein Sequenzer, nicht mehr und nicht weniger. Das heißt, er verfügt über keinerlei eigene Klangerzeugung und ist grundsätzlich darauf angewiesen, mit anderen Devices verbunden zu werden. Dank der mehr als ausreichend differenzierten Anschlüsse, die Pioneer DJ dem Tintenfisch (Squid) spendiert hat, ist das allerdings ein Leichtes. Apropos Tintenfisch: Wider Erwarten kann der Squid nicht nur acht, sondern bis zu 16 externe Geräte ansteuern. Dabei brilliert er nicht nur im blinden Gehorsam, der Squid hat auch eigene Tinte dabei und kann ordentlich Farbe in die Produktion bringen. So erlaubt es der Sequenzer beispielsweise, zwischen mehr als acht Laufrichtungen zu wechseln oder Parameter wie Pitch, Velocity und Gate zu randomisieren.
Sequenzen können entweder über den Trigger-Modus programmiert oder in Echtzeit aufgenommen werden. Scale- und Chord-Modi erlauben ein chromatisches und Scale-basiertes Spiel auf den 16 Trigger-Pads. Mit Elektronanleihen, wie Parameter Locks und Trig Conditions im Gepäck wird klar, dass Pioneer DJ seine Hausaufgaben gemacht hat und der Squid keine Wünsche offenlassen soll. Als Kirsche auf der Sahnetorte verfügt der Squid zusätzlich über seine ganz eigenen Tricks und soll mit Time-Warp, Interpolation oder Groove.Bend die Konkurrenz aus dem Wasser pusten.
Verarbeitung und Anschlüsse
Mit den Maßen von 374,8 x 223,9 x 72,1 mm ist der Squid nicht gerade ein Zwerg, dafür wiegt er allerdings nur 1,9 kg. Die recht große Oberfläche bietet jedenfalls reichlich Platz, und zwar nicht nur für die zahlreichen Pads und Buttons, sondern auch für die Finger der Bedienenden. Das überaus stabile Gehäuse wirkt wie aus einem Guss und weist keine Spalten auf, in die sich Staub oder, Gott bewahre, Bier verirren könnte. Die seltsam gummierte Oberfläche des Squid sorgt hingegen für reichlich Fettfingerabdrücke, wodurch die matte Optik schnell ihr edles Flair verliert. Die unzähligen Pads und Buttons sind dafür allesamt hintergrundbeleuchtet und passen sich bei Doppelbelegungen farblich an – sehr schön!
Zur Eingabe dienen beim Squid 16 velocity-empfindliche Trigger-Pads, die ebenfalls über eine interaktive Beleuchtung verfügen und sowohl in Größe als auch Spielgefühl gefallen. Die Menütaster erzeugen im Gegensatz zu den Trigger-Pads ein spürbares Klicken, was Missverständnissen bei der Bedienung vorbeugt. Auch die zwei schmalen OLED-Displays sind super hilfreich und zeigen im Teamwork jederzeit die aktuelle Funktionsebene an. Lediglich die Endlos-Encoder sind durch ihre klare Rasterung Geschmackssache, ansonsten gibt es hier wenig zu meckern.
Die Stumme Natur des Squid äußert sich auch beim Blick auf die Anschlüsse an der Rückseite. Bis auf eine Kensington Diebstahlsicherung, den Eingang für das Netzteil und den Power-Schalter dient hier alles zur Kommunikation mit externen Instrumenten – Audio-Ein- oder Ausgänge gibt es keine. Dafür gibt es selbstverständlich einen MIDI-In/-Out/-Thru, wobei letzterer separat zu routen ist und praktisch als unabhängiger, zweiter MIDI-Out genutzt werden kann. CV- und Gate-Outs in doppelter Ausführung, Clock-In- und -Out sowie zwei Anschlüsse für DIN SYNC sind ebenfalls vorhanden und ermöglichen die Integration von Modularem und Vintage-Gear. Abgerundet wird die Anschlusspalette durch einen USB-Port des Typs B, über den der Squid sogar bis auf wenige Abstriche in Sachen Pad-Beleuchtung mit Strom versorgt werden kann.
Intern arbeitet der Squid mit einer Rasterung von Viertel- bis Zweiunddreißigsteltelnoten und erlaubt eine individuelle Patternlänge von bis zu 64 Steps. Pro Track können wiederum 64 Patterns gespeichert werden, was bei den 16 verfügbaren Spuren eine Menge Platz zum Austoben bietet. Egal ob Modular-Gear, Vintage-Drum-Machine oder DAW – der Squid kommt mit allem zurecht und synchronisiert tadellos verschiedenste Klangerzeuger. Im Lieferumfang enthalten sind das passende Netzteil sowie eine Schnellstartanleitung.
Squid Features: Alte Bekannte
Ist das gewünschte Gerät erstmal mit dem Squid verbunden, muss lediglich der Kommunikationskanal im Track-Menü eingestellt werden und schon kann es losgehen. Im Trigger-Modus agieren die 16 Trigger-Pads als Eingabe für die klassische Lauflichtrogrammierung. Über die Pitch, Velocity und Gate Encoder kann dann weiter auf den Sound eingewirkt werden. Wird dabei ein aktiver Step gedrücktgehalten, gilt die vorgenommene Einstellung nur für den gedrückten Step – schöne Grüße von Elektrons Parameterlocks.
Trig-Condition heißt dies bei Pioneer DJ Trig Probability und erinnert ebenfalls stark an die Sequenzer der Schweden, allerdings kann der Squid hier nur prozentuale Wahrscheinlichkeiten umsetzen. Gezielte Variationen auf bis zu acht Takten gibt’s nach wie vor nur bei Digitakt und Co., so weit, so schade. Dafür wartet der Squid mit 16 Ebenen für Undo- und Redo-Befehle. Für reichlich Übersicht sorgt die Hintergrundbeleuchtung, die je nach Modus ihre Farbe ändert und beispielsweise im Trigger-Modus die Pad-Matrix orange färbt.
Bei aktivierter Aufnahme kann der Squid nicht nur Trigs, sondern auch Parameterfahrten in Echtzeit recorden, was zwar wieder an Elektron erinnert, aber auch echt praktisch ist. Darüber hinaus eignet sich die Live-Aufnahme des Squid für Finger-Drumming im Track-Modus, oder melodisches Spielen in den Scale- und Chord-Modi. Besonders bei den Scales überzeugt der Squid mit seinem differenzierten Wissen: Neben den üblichen Verdächtigen, wie Dur und Moll samt der Kirchentonarten, kennt er sich noch mit 16 weiteren, mitunter äußerst exotischen Skalen aus.
Im Chord-Modus repräsentieren die Trigger Pads gleich ganze Akkorde, wobei aus 18 Chord-Sets gewählt werden kann und der Squid die Noten gemäß der aktiven Scale anpasst. In beiden Modi ist der Squid zu achtstimmiger Polyphonie in der Lage. Beatrepeat-Funktionen und ein Arpeggiator dürfen natürlich auch nicht fehlen, genauso wie togglebare Quantisierung, Tap-Tempo und Shuffle-Regler. In den meisten Modi stellt der Squid außerdem verschiedene Layouts zur Auswahl, sodass zum Beispiel vier Pads aus der Matrix die Beatrepeat-Funktion triggern können.
Squid-Features: New Classics
Zu den augenscheinlich auffälligsten Innovationen des Squid zählt der Groove-Bend-Slider. In der Mittelposition ist das Timing des aktiven Tracks unverändert. Bewegt man den Fader, werden die Trigs vorgezogen oder Laid-Back wiedergegeben. Irritierend ist, dass die Bedienung spiegelverkehrt funktioniert, das heißt, wird der Fader nach rechts gezogen, werden die Noten nicht später, sondern früher gespielt. Ansonsten überzeugt das Feature durch die feinfühlige Bedienung des stufenlosen Faders und die Möglichkeit, vorgenommene Einstellungen als Automation aufzunehmen.
Wem das nicht abgefahren genug ist, der aktiviert Groove-Modulation und lässt den Puls des Patterns periodisch bremsen oder beschleunigen. Sollte die Sequenz doch irgendwann langweilig werden, kann durch die Auswahl aus 16 Laufrichtungen frischer Wind in die Performance gebracht werden. Sei es für Fills oder gänzlich neue Parts, irgendeine funktionierende Möglichkeit ist im Arsenal des Squid immer zu finden.
Unterhalb der Pad-Matrix befindet sich die Harmonizer Sektion des Squid, wo auf sechs belegbaren Buttons beliebige Akkorde auf das Pattern des aktiven Tracks gesetzt werden können. Auch die Harmonizer-Funktion kann als Automation aufgenommen werden. Unter Interpolation versteht Pioneer DJ eine semizufällige Modulation von Parametern, wobei sich der Squid an bis zu fünf justierbaren Start-, Mittel- und Endwerten orientiert, was ein angenehmes Maß an Kontrolle gewährleistet. Im CC-Modus fungieren die Encoder rechts neben der Pad-Matrix als frei belegbare MIDI-Controller und ermöglichen noch mehr Kontrolle über externe Instrumente. Besonders in Zusammenarbeit mit der DAW erweist sich der CC-Modus als praktisch, weil nach minimalem Routing-Aufwand die Aufmerksamkeit nicht mehr vom Squid abgelenkt werden muss.
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Das Highlight ist vermutlich das Time-Warp-Feature, über das auf vergangene Produktionsschritte zurückgegriffen werden kann, ohne dass sie zuvor aufgenommen werden müssen. Das kommt gerade bei den ganzen Zufallsoptionen des Squid gut, da jederzeit die Möglichkeit besteht, seine „happy little Accidents“ zu reproduzieren. Im Time-Warp-Modus leuchtet die Pad-Matrix weiß und jedes Pad repräsentiert einen der letzten 16 Takte, die der Squid wiedergegeben hat. Statt immer nur einen Takt zu loopen, kann die Dauerschleife auch auf zwei, drei oder vier Takte erweitert werden. Hat man das gewünschte Pattern wiederhergestellt, lässt es sich beispielsweise im Pattern-Menü abspeichern.
Fazit
Bis auf einige Abstriche bei den Trig-Conditions und die fehlende Möglichkeit, mehrere Tracks auf einmal zu steuern, lässt der Squid im Sequenzer-Game keine Wünsche offen. Im Gegenteil, er kommt mit vielen musikalischen, neuen Features daher, auf die man schnell nicht mehr verzichten möchte. Die ausgeprägte Anschlusspalette erlaubt es, exotische Instrumente zu integrieren und weitestgehend von einem zentralen Punkt aus zu steuern. Der Squid ist wahrlich der Herzschlag des Setups, denn wer das Beste aus seinem Tintenfisch rausholen möchte, braucht Mut zum Zufall und eine Leidenschaft fürs Experimentieren.
Pro
Unkompliziertes Setup
Gelungener Mix aus neuen und bekannten Funktionen
Kontra
Trig-Conditions nicht so flexibel wie bei Elektron
Preis:
599 EUR
Weitere Informationen gibt es auf der Website von Pioneer DJ.
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