Viele Hersteller haben sich schon an Stand-Alone-Lösungen versucht. Pioneer DJ scheint diese Gattung von DJ-Equipment mit Bravour zu beherrschen. „XDJ“ klingt dabei etwas belanglos, steht aber bei Pioneer für die Stand-Alone-Player, die mit einer eigenen Software an Bord arbeiten und sich dementsprechend unabhängig von einem Computer zum Auflegen eignen. Denkt man an die CDJ-2000NXS2, könnte es aufregend sein wenn Pioneers Onboardsoftware auch auf den XDJs mit Bedienspaß glänzt. In Zeiten in denen man ständig mit Kompatibilitätsproblemen und lästigem Verkabeln konfrontiert ist, käme also eine stabil laufende 2-Deck-Konsole mit einfacher Bedienbarkeit gerade recht. Im nachstehenden Test haben wir uns deswegen Pioneers All-in-One-Lösung näher angeschaut und herausgefunden was man damit alles anstellen kann.
Eigenschaften
Der XDJ-RR kommt in den Maßen 74,2 x 625 x 388,5 mm (H/B/T) und entspricht einer mittelgroßen Konsole, die sich bei 5,2 kg noch recht gut transportieren lässt. Das relativ geringe Gewicht begründet sich darin, dass größtenteils Kunststoff – sowohl für Gehäuse als auch Jogwheels – verwendet wurde. Die Verarbeitung ist ordentlich und birgt keine störenden Kanten oder sonstige Ungereimtheiten. Die ganz in Schwarz gehaltene Oberfläche zeigt ganz klar die Linientreue zum restlichen Pioneer Sortiment. Wer schon mal mit Pioneer DJ gearbeitet hat, wird sich deshalb schnell mit dem Layout der Bedienelemente zurechtfinden und benötigt keine Bedienungsanleitung. Falls doch, so befindet sich diese in mehrsprachiger Ausführung nebst einem Freischaltcode für Rekordbox DJ und einem Netzteil im Lieferumfang. Die Haptik der Regler, Tasten und Jogwheels des XDJ-RR siedelt sich unterhalb der NXS Serie an. Das heißt, dass man bei der Bedienung nicht die gleichen Drehwiderstände von Reglern und Jogwheels aus Pioneers Profi-Liga erwarten darf. Mehr dazu folgt im nachstehenden Praxistest.
Ähnlichkeit zum XDJ-RX2
Man kann den XDJ-RR als kleinere Variante zum XDJ-RX2 sehen die mit Abstrichen in den Features eine deutlich preisgünstigere Lösung darstellt. Wem die 1600 Euro für einen XDJ-RX2 also zu viel sind, der kann nun mit dem XDJ-RR für knapp 500 Euro weniger eine ähnliche Konsole erwerben, bei der es unter anderem weniger Anschlussmöglichkeiten für externe Player gibt und die Touch-Funktion des Displays entfällt. Weiterhin ist nur ein Mikrofonanschluss vorhanden und es steht nur die Hälfte der Performance-Pads physisch zur Verfügung.
Anschlüsse
Der XDJ-RR besitzt einen Master-Ausgang in zweifacher Form, dementsprechend kann man die Summe per XLR- oder Cinch-Pärchen ausgeben. Für die Verwendung als Controller steht auf der Rückseite des Gerätes ein USB-B-Anschluss bereit. Weiter kann hier ein Mikrofon als XLR-Klinke-Combo nebst einem weiteren Line-Zuspieler oder Mobilgerät (Cinch) angeschlossen werden. Der Kopfhörerausgang liegt als große und kleine Klinkenbuchse auf der Gerätevorderseite. Für die Musikwiedergabe und das Aufnehmen des Mixes gibt es zwei USB-Anschlüsse auf der Geräteoberseite. Die Mixaufnahme wird dabei auf dem zweiten USB-Medium als WAV-Datei abgelegt.
Vorbereitung mit Rekordbox
Beim Pioneer XDJ-RR ist es auf jeden Fall ratsam, die Musik vor dem Auflegen durch Rekordbox analysieren zu lassen, wenn man vermeiden möchte, ohne jegliche Waveformanzeige auf dem Display zu spielen (Lies hier wie man effektiv mit Rekordbox arbeitet.). Die Analyse auf dem XDJ-RR selbst kann man getrost vergessen, denn diese dauert gefühlte Ewigkeiten. Da man aber eh einen Freischaltcode für Rekordbox DJ im Lieferumfang hat, ist der Schritt in die Pioneer Welt einzutauchen relativ schnell vollzogen. Ganz so unabhängig von einem Computer ist man dann in Sachen Stand-Alone-Player zwar doch nicht mehr, jedoch beschränkt es sich wirklich nur auf die Trackanalyse und das Überspielen auf einen USB-Stick. Für die Analyse der Tracks kann man auch nur das einfache Archivierungsprogramm Rekordbox nutzen. Die DJ-Software Rekordbox DJ kommt erst zum Tragen, wenn man den XDJ-RR als Controller nutzen möchte. Ist der XDJ-RR erst einmal aufgestellt, so steht er auf seinen fünf Gummifüßen relativ rutschfest. Eingeschaltet und mit einem USB-Stick gefüttert kann man recht zügig mit dem Auflegen loslegen.
Display
Die Software des Controllers fährt schnell hoch und ist direkt betriebsbereit. Die Bedienelemente für Audioquelle und die Bildschirm-Menüs sind genauso angeordnet, wie man es von den bekannten CDJ Modellen kennt. Das gleiche gilt auch für die Aufteilung der Bedienelemente auf den beiden Decks. Die Struktur in der Software ist einfach gehalten und lässt sich intuitiv bedienen. Neben Trackinformationen bekommt man für zwei Decks die Wellenform samt Beatgrids angezeigt. Das Schöne ist hier, dass die Wellenformen horizontal übereinander angeordnet sind und so eine rein optische Kontrolle beim Beatmatchen möglich ist.
Der untere Teil des Bildschirms zeigt die Gesamtwellenform je Deck und weitere Deckinformation wie z. B. die Track-Zeit oder das Tempo. In den weiteren Menüs lassen sich über „Browse“, „Taglist“ und „Info“ die Track- und Playlisten anschauen, sortieren und detailierte Infos über die Tracks aufrufen. Über „Menu“ bzw. „Utility“ kommt man in das Einstellungsmenü für den XDJ-RR. Hier lassen sich z. B. Display-Helligkeit oder die Faderkurven der Kanäle einstellen.
Diese Anordnung kennt man auch von anderen Gerätschaften aus der CDJ- und XDJ Serie. Insgesamt ist das Farbdisplay gut aufgelöst und es bietet jede Menge Information kompakt dargestellt. Alle wesentlichen Parameter fürs Mixing lassen sich im direkten Zugriff ablesen und sind gut erkennbar. Die Erreichbarkeit mancher Informationen wäre auch mit einer Touch-Funktion nicht schneller, ich habe sie zumindest in meinem Workflow nicht vermisst.
Mixer Sektion
Die Mixersektion beinhaltet alle Basics eines 2-Kanal-Mischpultes: Einen Trimm-Regler für die Eingangsempfindlichkeit, einen 3-Band EQ, der wahlweise zum Isolator in der Menüsteuerung verwandelt werden kann, und die typischen bipolaren Drehregler für die Sound-Color-Effekte. Mit den Sound-Color-Effekten lassen sich Übergänge etwas interessanter gestalten. „D.Echo“ und „Filter“ eignen sich gut, um das Überblenden von Tracks präsenter zu machen, mit „Noise“ kann man künstlich einen Buildup herstellen und „Pitch“ könnte man als Turntable-Effekt beschreiben. Die Cue-Tasten sind aufgrund des Platzmangels statt unterhalb des EQs in der Vorhörsektion gelandet. Weiß man das, so ist diese untypische Position beim Mixing eigentlich nicht mehr relevant.
Um die Lautstärke während des Mixings zu überwachen, stehen dem XDJ-RR zwei neungliedrige LED-Volume-Ketten pro Kanal zur Verfügung, die sich gut ablesen lassen. Das Mastersignal hat eine separate LED-Volume-Anzeige. Mit 50 mm Slide-Weg sind die Kanalfader etwas kleiner bemessen als an regulären DJ-Mischpulten, fürs Mixing ist das jedoch ausreichend. Der Slide-Widerstand ist für meinen Geschmack allerdings etwas zu hoch. Der Crossfader hingegen ist leichtgängig und klickt sogar beim Anschlag. Dank der dreistufigen Einstellmöglichkeit lässt sich der Crossfader entweder komplett deaktivieren oder auf die Stellungen Fade oder Cut stellen. Letzteres eignet sich sogar für Scratches mit einem Cut-Lag von ca. 1 mm. Für eine Konsole liegt der Crossfader gut in der Hand. Alle Fader- und Reglerkappen sitzen übrigens sehr fest und lassen sich nur mit Mühe abziehen. Und wenn die Kappen schon erwähnt werden: Die EQ-, Trim und restlichen Lautstärkeregler besitzen gummierte Kappen, die auch bei schwitzigen Fingern noch griffig sind.
Effekte
Neben den Sound-Color-Effekten besitzt der XDJ-RR noch drei Beat-Effekte. Nur drei? Ja, denn genau hier liegt auch ein Teil des Unterschiedes zum größeren XDJ-RX2, der mit acht Effekten ausgestattet ist. Mit „Echo“, „Reverb“ und „Flanger“ sind jedoch die Basiseffekte vorhanden, welche sich entweder auf den jeweiligen Kanal oder das Mastersignal legen lassen. „Reverb“ und „Echo“ sind dabei postfader-geschaltet, um bei Übergängen z. B. Hallfahnen zu kreieren, die den laufenden Track ausklingen lassen. Und der Flanger ist ein Flanger, ist ein Flanger, ist ein ... so wie man ihn schon tausendfach gehört hat. Die Parametersteuerung der Effekte ist ebenfalls auf das Minimalste reduziert. So lässt sich über zwei Taster das Intervall ändern und mit dem typischen Dry/Wet bzw. Level/Depth der Effektanteil im Signalweg. Der typische Ein- und Ausschalter für die Effekte ist unübersehbar an der für Pioneer typischen Stelle platziert: rechts unten.
Die Decks
Wer Pioneers CD-Player kennt, wird sich auf den Decks sofort zurechtfinden. Die Transporttasten, Pitchfader und Loop-Sektion sind praktisch an der gleichen Stelle um das Jogwheel angeordnet. Das Jogwheel selbst misst 12 cm Durchmesser und ist trotz Metalloberfläche komplett aus Kunststoff gefertigt. Dementsprechend bringt es beim drehen sehr wenig Eigenträgheit mit. Schnelle Spins bremst das Jogwheel relativ schnell ab. Aber auch wenn der Drehwiderstand nicht einstellbar ist, so fühlt es sich im Zusammenhang mit der Software gut abgestimmt an, das heißt, dass z. B. Backspins nicht endlos lang klingen, sondern akustisch nahe an der Reaktion eines Turntables liegen.
Auch das Scratchverhalten der Jogwheels ist äußerst präzise, sodass man nie das Gefühl bekommt, dass einem der Track davonläuft, wenn man mal kurz die Hand von der berührungsempfindlichen Oberfläche nimmt. Bemerkenswert ist auch, dass sie selbst stärkeren Vibrationen standhalten ohne den Musikverlauf zu beeinträchtigen. Bis auf die Performance-Tasten gibt es in der Deck-Sektion eigentlich nichts zu bemängeln. Die Performance-Tasten sind einfache Tasten aus Kunststoff, von denen es aufgrund des Platzes nur vier Stück gibt. Im Falle der Cue-Punkte mag das noch vertretbar sein, jedoch wird beim Spielen mit Autoloops die Beschränktheit eindeutig, wenn man erkennt, dass die komplette Intervallbreite nur mit der Shift-Taste über eine zweite Ebene abrufbar ist.
Die maximale Looplänge ist hier auf 16 Bars beschränkt. Wenn man mehr haben möchte, muss man mit manuellen Loops arbeiten. Der Pitchfader ist mit 60 mm Länge auch etwas kürzer geraten und besitzt eine Mittenrastung. Er hat einen hohen Slide-Widerstand und weist im Vergleich zu den anderen Fadern etwas seitliches Spiel auf. In Anbetracht dessen, dass die Software mit ihren genauen Beatgrids eh dazu einlädt, die Sync-Funktion zu nutzen, kann man den Pitchfader aber vernachlässigen.
Controller für Rekordbox DJ
Neben der Stand Alone Funktion kann der XDJ-RR auch als Fernsteuerung für Rekordbox DJ genutzt werden. Sofern man also keinen USB-Stick zur Hand hat oder ein anderer DJ sich mit seinem Laptop anschließen möchte, kann man dies mit einem einfachen USB-Kabel bewerkstelligen. Für die Nutzung der internen Soundkarte des XDJ-RR muss allerdings vorher ein Audiotreiber installiert werden. Sobald der XDJ-RR mit Rekordbox DJ verbunden ist, bekommt man hier aber den Hinweis und wird auf direktem Wege zum Ziel geführt ohne Rechner oder Software neustarten zu müssen. Für die Aufgabe der Unabhängigkeit von einem Rechner bietet Rekordbox DJ wesentlich mehr Effekte und man kann dazu auch noch den Sampler nutzen.
Da die meisten Bedienelemente auf dem XDJ-RR aber schon fest belegt sind, bringt das Mehr an Software-Features aber erst etwas, wenn man mit einem zusätzlichen MIDI-Controller arbeitet. Wer mit einem Laptop auflegt, wird durch das größere Display auch mit mehr Übersicht belohnt, was sich vor allem beim Scrollen in der Tracksammlung und den Tags auszahlt. Rekordbox DJ und der XDJ-RR sind ein eingespieltes Team: Die Software reagiert sehr direkt auf den Controller und die Wellenform wird sogar auf das Display des XDJ-RR übertragen. Im Übrigen kann man die Decks auf dem XDJ-RR gleichzeitig sowohl über USB-Stick als auch über Rekordbox DJ speisen. Dies vereinfacht einen DJ-Wechsel während des Auflegens. Wer statt Recordbox DJ lieber mit einer anderen DJ-Software arbeiten möchte, kann den XDJ-RR auch dafür nutzen. Bis auf die Mikrofon-Sektion und die Bildschirmtasten senden alle Bedienelemente MIDI-Daten.
Fazit
Pioneers XDJ-RR ist ein gelungenes Produkt, bei dem es vor allem darum geht, autark von einem Computer auflegen zu können. Die Verarbeitung geht in Ordnung, die Haptik liegt dabei unterhalb Pioneers NXS-Serie. Die Reduktion der Features im Vergleich zum XDJ-RX2 sind, wenn man sich auf die Basics beim Auflegen besinnt, nur marginal spürbar. Lediglich die Performance-Tasten werden ihrem Namen nicht ganz gerecht: Mindestens acht Tasten hätten hier das Arbeiten über zwei Ebenen aufgehoben. Ansonsten ist der XDJ-RR ein gut durchdachtes System, das sich für jede Art von DJ eignet. Der professionelle DJ wird die Anordnung der Bedienelemente mögen, denn sie ist an die NXS-Serie angelehnt. Einsteiger- und fortgeschrittene DJs profitieren von der schnellen Startbereitschaft und der intuitiven Bedienung.
Ohne Stand Alone Mixer Funktion gibt es beim XDJ-RR natürlich wenig Möglichkeiten eines Backups falls das System mal versagen sollte. Hat man hier aber einen Plan B parat, so steht dem Spielspaß mit dem XDJ-RR nichts im Wege. Die Zugabe von Rekordbox DJ als Software ist eine nette Begleiterscheinung, jedoch überzeugen die Vorteile höchstens bei einem DJ-Wechsel bei vergessenem USB-Stick. Ansonsten macht die Controller-Funktion den eigentlichen Sinn einer Stand Alone Einheit zunichte. Der Preis von knapp 1100 Euro geht dabei in Ordnung. Vor allem aber auch weil es bisher kein Konkurrenzprodukt gibt, das softwareseitig so übersichtlich und stabil läuft, wie es der XDJ-RR macht.
Pro
Einfache Bedienung
Als Mediaplayer und Controller nutzbar
AUX-In und Mic-In mit Talkover
Stabile Software
Geringes Gewicht
Rekordbox DJ im Lieferumfang
Kontra
Performance-Tasten über zwei Ebenen bedienbar
Schwergängige Kanalfader
Preis:
ca. 1100 EUR
Weitere Informationen gibt es auf der Website von Pioneer DJ.
1 Kommentare zu "Test: Pioneer DJ XDJ-RR"
Kann man das Gerät ohne Stromanschluss, aber mit USB Power betreiben?
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