Was macht eine gute DAW aus? Die Antwort auf diese Frage dürfte ziemlich unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wen man fragt und was genau diese Person mit ihrer Musik-Software anfangen möchte. Da die Auswahl an Digital Audio Workstations heutzutage so groß ist, sollte man als Ein- oder Umsteiger:in auch unbedingt die eigenen Anforderungen mit in die Entscheidung einfließen lassen, denn jedes Programm hat in der Regel Stärken und Schwächen. Studio One gibt es nun seit über zehn Jahren und die Software hat in dieser Zeit eine gewaltige Entwicklung vollzogen. Wir schauen uns nun an, was Studio One 5 Professional zu bieten hat und ob sich damit gut arbeiten lässt.
Studio One 5: Drei verschiedene Versionen
Das Angebot wurde von Presonus etwas reduziert, inzwischen gibt es Studio One nur noch in drei verschiedenen Versionen. Prime ist kostenlos und für Einsteiger:innen gedacht, die sich ausprobieren wollen, nicht nur mit der Software, sondern auch mit dem Thema Audio-Produktion an sich. Die Anzahl an Spuren ist unbegrenzt, dafür wurde bei den Funktionen und der Ausstattung ordentlich der Rotstift angesetzt.
Studio One Artist geht einen deutlichen Schritt weiter und wird den meisten Musiker:innen, Sing-Songwriter:innen oder Instrumentalist:innen bereits genügend Möglichkeiten bieten, die eigene Musik aufzunehmen und zu bearbeiten, besonders weil Studio One Artist seit Version 5 nun endlich auch die Verwendung von Drittanbieter-Plugins ermöglicht. Wem das nicht reicht, greift zum Flaggschiff der Marke – Studio One Professional. Damit lässt sich das volle Potenzial der Software komplett ausschöpfen.
Darüber hinaus sei noch Presonus Sphere genannt, ein Subscription-Service, den der amerikanische Hersteller seit einiger Zeit betreibt. Hier bekommt man für knapp 15 Euro pro Monat nicht nur Zugang zu allen Programmen der Marke in deren Vollversionen (Studio One und Notion), inklusive aller zukünftigen Updates, sondern auch tonnenweise Content in Form von Loops, Construction Kits und Sounds. Außerdem kann man mit weiteren Abonnent:innen Daten tauschen und erhält Zugang zu Video-Content, Livestreams und der zugehörigen Community.
Drei Inkarnationen
Die Zahl Drei begegnet uns noch einmal bei den verschiedenen Anwendungsgebieten, in denen Studio One 5 einsetzbar ist. Zum einen lässt sich Musik damit produzieren und mischen, es gibt aber zusätzlich zwei weitere separate Sektionen innerhalb der Software, nämlich für Mastering (Projekt-Page) und den Einsatz in Live-Shows (Show-Page). Praktischerweise nutzen alle drei Inkarnationen des Programms die gleiche Audio-Engine und die gleiche Ausstattung, somit lassen sich Arrangements intern zu einem Mastering-Projekt oder einer Show umwandeln und dort weiterbearbeiten.
Bedienoberfläche, Workflow und Ausstattung
Grundsätzlich basiert Studio One 5, genau wie die meisten anderen DAWs, auf einer Timeline, das bedeutet, dass die Software von links nach rechts abspielt und alle Events oder Automationen, die im Arrangement-Fenster abgelegt wurden, hörbar gemacht werden. Über den Mixer können die einzelnen Signale dann klanglich bearbeitet und zusammengeführt werden, ehe sie über den Master-Kanal dann in Richtung Audio-Interface ausgegeben werden.
Der Großteil des gebotenen Funktionsumfangs lässt sich bei Studio One per Drag-and-drop nutzen. Ein Instrumenten-Plugin wird einfach aus dem Browser ins Arrangement gezogen, die Spur wird dabei automatisch angelegt. Auf dem gleichen Wege gelangen Effekte und auch komplette FX-Ketten auf die gewünschten Spuren und natürlich gilt das auch für den Import jeglicher Datei. Und selbst das Umwandeln einer MIDI-Datei zu Audio und umgekehrt, oder das Importieren von Dateien aus dem Online-Shop funktionieren über den Browser und Drag-and-drop.
Die Ausstattung von Studio One Professional ist durchaus üppig. Es sind fast 40 Effekte, drei Sampler mit haufenweise spielbaren Instrumenten und zwei Synths mit an Bord sowie unzählige Drum-, Construction-Kits und Sample-Libraries. Ein Highlight bei den Effekten ist zum Beispiel der überarbeitete Pro EQ2, der einen phasenlinearen Low-Cut-Modus ab den Frequenzen 20, 50 und 80 Hz bietet.
Studio One 5: Mix-Engine und Makros
Studio One 5 bietet über die FX-Ausstattung hinaus noch ein innovatives Feature, mit dem sich ebenfalls der Klang beeinflussen lässt. Das Ganze nennt sich Mix-Engine und liefert eine Reproduktion analoger Hardware mit allen Imperfektionen. Diese Mix-Engine lässt sich über den Console Shaper anwenden und fungiert damit als Mehrkanalbearbeitung, die sich auf den Klang der gesamten DAW auswirkt, nicht nur auf einzelne Spuren. Wem die Klangqualität der 64-Bit Fließkomma-Mix-Engine also zu clean ist, simuliert über den Console Shaper einfach den Signalfluss eines analogen Mischpultes.
Das Makro-System bezieht sich dagegen auf den Workflow mit Studio One. Shortcuts bietet jede DAW, Presonus geht allerdings einen Schritt weiter. Über das Makro-System lassen sich viele Befehle zu einem zusammenfassen und sich anschließend einer einzigen Taste zuweisen. So kann man zum Beispiel mit dem Drücken der Taste „R“ auf der Tastatur folgenden Vorgang auslösen: eine Instrumentenspur wird erstellt und nach Vorgabe benannt, ein Instrumenten-Plugin wird mit einem bestimmten Preset darauf geladen, eine zuvor angelegte FX-Chain wird auf den korrespondierenden Kanal geladen und zum Schluss wird dann noch das GUI des Instrumentes geladen, damit man sofort daran arbeiten kann.
Notation
Seit Version 5 ebenfalls neu ist die Möglichkeit, seine MIDI-Daten in Notenschrift anzuzeigen und zu bearbeiten. Wurde auch Zeit, schließlich hat Presonus schon seit Jahren Erfahrungen mit der hauseigenen Notationssoftware Notion sammeln können. Auch bei Studio One besteht außerdem die Möglichkeit, Noten per Controller einzuspielen oder mit der Maus einzuzeichnen, die DAW also konkret als Notations-Tool zu nutzen und anschließend direkt aus der Anwendung heraus zu drucken. Natürlich wird man dabei wahrscheinlich früher oder später an deren Grenzen stoßen, für die meisten Anwendungsbereiche sollte der gebotene Funktionsumfang allerdings ausreichend sein.
Mixer Scenes
Studio One verstand sich von Anfang an nicht nur als Kompositions-Tool, sondern auch als ernstzunehmende Plattform für Audio-Bearbeitung und Mixing, die Mixer Scenes sind ein weiterer Schritt in diese Richtung. Mit diesem Feature lassen sich verschiedene Mixe oder verschiedene Versionen eines Mixes ganz leicht miteinander vergleichen. Ähnlich wie beim Speichern von Arrangements kann damit ein bestehender Mix über Snapshots ebenfalls abgespeichert werden. Im Vergleich kann man dann zwischen diesen festgehaltenen Versionen hin und her springen, und zwar so gut wie ohne lästige Ladezeiten. Außerdem umfassen die Parameter der Mixer-Scenes inzwischen auch Automationsfahrten aus dem Arrangement-Fenster.
Chord Track
Der Chord-Track richtet sich an alle, die mit dem Thema Musiktheorie so ihre Probleme haben. Dieses Feature ermöglicht dem User beispielsweise einen ganzen Takt einem Akkord zuzuordnen, was wiederum dafür sorgt, dass sich alle MIDI- und (!) Audio-Dateien dieser Vorgabe unterordnen. Der Chord-Track kann inzwischen auch Akkordfolgen aus bestehenden MIDI-Dateien lesen und im Arrangement anwenden. Über den Chord Selector lassen sich darüber hinaus auch Akkorde auswählen, ohne sie am Keyboard einspielen zu müssen.
Studio One 5: Step Sequencer
Der Step-Sequencer richtet sich an Producer, die einen MPC-Background haben oder sich mit der Piano-Roll-Ansicht einfach nicht richtig anfreunden können. Genau wie beispielsweise bei Maschine von Native Instruments erhält man eine Sequenzer-Matrix, in die die Trigger der geladenen Sounds mit der Maus eingezeichnet werden können. Interessant daran ist, dass man für jedes Sample-Element die Anzahl der Steps separat auswählen kann. Hat die Kick also 16 Steps, die Hi-Hat wiederholt aber bereits nach fünf Steps, ergeben sich dadurch Variationen, die man sonst mühsam programmieren müsste.
Zusätzlich kann man für jedes Element eine Wahrscheinlichkeit festlegen, mit der der Sound im Loop überhaupt abgespielt wird. Auch dieses Feature ermöglicht unendliche Variationen im Handumdrehen. Außerdem kann die Step-Sequencer-Ansicht bei jedem Instrument genutzt werden, nicht nur bei Drums.
Weitere interessante Features
Zum Schluss möchte ich noch einige nennenswerte Features erwähnen, die etwas tiefer in die Software führen, von denen an Studio One Interessierte aber wissen sollten.
Über Keyswitch-Artikulationen kann man aus mehreren Spietechniken gesampelter Instrumente auswählen und direkt über die Klaviatur eines MIDI-Controllers triggern. Diese Informationen können in Studio One übersichtlich über das Editor-Fenster eingezeichnet und bearbeitet werden.
Clip Gain Envelopes ermöglichen das Einzeichnen einer spurbasierten Lautstärkeautomation, um beispielsweise dynamische Vocal-Aufnahmen zu bändigen, ohne die Audio-Events mittels Cut-Tool bearbeiten zu müssen.
AUX-Kanäle für externe Instrumente ermöglichen das Anlegen und Abspeichern externer Soundquellen, dadurch kann ein Hardware-Synthesizer mit allen Einstellungen abgespeichert werden und steht dann im Browser zur Verfügung. So kann dieses Instrument im Anschluss genau wie ein Software-Instrument per Drag-and-drop ins Arrangement geladen und direkt verwendet werden.
Studio One unterstützt sowohl MPE (MIDI-Polyphonic-Expression) als auch Polyphonic Pressure, damit sind auch moderne multidimensionale MIDI-Controller einsetzbar.
Der Export mehrerer Datei-Typen ist inzwischen gleichzeitig möglich. Braucht man also zum Beispiel für den Upload seiner Musik bei Spotify eine Wav-Datei, für die Promotion im Internet allerdings das mp3-Format, können beide Dateien gleichzeitig gebounct werden. Das spart besonders bei einem ganzen Album deutlich Zeit.
Um das Anschlagen von Gitarrensaiten mit einem virtuellen Instrument zu simulieren, lassen sich bereits eingespielte Akkordtöne mit nur einem Mausklick in Kombination mit den Modifier-Tasten so verschieben, dass sie nacheinander wiedergegeben werden, genau wie das bei einer akustischen oder elektrischen Gitarre immer der Fall ist.
Remote-Unterstützung per iOS und Android erlaubt die Fernsteuerung von Studio One über Smartphones und Tablets für Recording-Sessions oder beim Mixing.
Fazit
Studio One 5 Professional ist eine der besten DAWs, die der Markt zu bieten hat, Punkt. Die Software hat sich über die Jahre zur wirklich durchdachten Produktionsumgebung gemausert, die löblicherweise bestehende Funktionen ständig verbessert und unaufhörlich moderne Features integriert. Beim relativ neuen Live-Modus hat man zum Beispiel nicht einfach nur andere Programme imitiert, sondern eine ganz eigene Idee entwickelt. Studio One gibt einem sehr viele Möglichkeiten und native Tools an die Hand, um die eigene Musik umzusetzen, besonders auffällig ist und bleibt dabei die erreichbare hohe Workflow-Geschwindigkeit, die hauptsächlich aus der konsequenten Drag-and-drop-Funktionalität und dem Makro-System resultiert. Dazu kommt der Preis für die Vollversion von gerade einmal 345 Euro. Natürlich ist der DAW-Markt groß und die Geschmäcker bekanntlicherweise verschieden, auf dem Schirm sollte Studio One aber wirklich jede und jeder haben.
Pro
Super schneller Workflow
Wird ständig verbessert und erweitert
Eigene Programmbereiche für Komposition/Mix, Mastering und Live-Show
Kontra
Kein Kontra
Preis:
311,00 EUR
Weitere Informationen gibt es auf der Website von Presonus.
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