Rolands legendärer Analogsynth JX-8P hatte als Digitalemulation unter der Zen-Core-Engine bereits den ein oder anderen Cameo-Auftritt in der aktuellen Produktpalette des japanischen Herstellers. Mit dem neuen Boutique-Synthesizer JX-08 bringt Roland jetzt eine dedizierte Neuauflage des 80er-Schmankerls auf den Markt. Im Kontrast zum analogen Vorbild setzt JX-08 auf eine DSP-basierte Funktionsweise mit ausgeklügeltem Sequenzer und diversen Effekten, bei einem geringeren Formfaktor sowie günstigem Preis. Ob am Ende auch das „Mojo“ stimmt und sich Rolands neuer JX-08 in der Praxis behaupten kann, zeigt dieser Test.
Verarbeitung, Anschlüsse und technische Daten
Wie alle aktuellen Roland Boutiques misst auch der JX-08 300 x 128 x 47 mm und wiegt 895 g mit Batterien. Der Synthesizer kommt ohne Klaviatur, ist aber kompatibel mit Rolands K-25m Keyboard oder dem Boutique Dock DK-01. Zur Not können zwar die 16 Step-Taster für die Noteneingabe genutzt werden, allerdings mit dem Spielgefühl eines Taschenrechners und ohne Velocity oder Aftertouch – folglich empfiehlt sich die Verwendung eines externen Keyboards.
So ohne alles sieht der JX-08 jedenfalls unfertig aus, als würden Teile der Rückseite fehlen, „Soundmodule“ hin oder her. Zusammen mit dem vorwiegend aus Kunststoff bestehenden Gehäuse sorgt das nicht gerade für den stabilsten Ersteindruck. Wer Rolands Boutiqes kennt, weiß jedoch, dass sie in puncto Verarbeitung durchaus zufriedenstellend und ihrem Preis angemessen sind.
Dass nicht nur viele Features unter der Haube des JX-08 versteckt wurden, sondern gleichzeitig eine Menge Fader und Buttons auf der Oberfläche des Synths Platz finden, grenzt trotz DSP an ein Wunder. Fader per Function könnte das Motto lauten, denn bis auf die Hüllkurven und die zahlreichen Funktionstaster gibt es eigentlich keine Doppelbelegungen.
Die 30 mm langen Fader sind ein akzeptabler Kompromiss zwischen Platz sparen und Spielbarkeit, bei angenehm festem Regelweg für zielgenaue Parameterkontrolle. Die LFOs, Tuning, Pitchmodulation und EG-Amount werden mit Potis gesteuert, was neben den Fadern die Orientierung fördert. Die vielen Funktionstaster überzeugen mit minimalistischem Chic und lustiger Klapperhaptik, machen ebenfalls einen soliden Job und passen stimmig ins optische Konzept des JX-08.
Problematisch wird’s bei den Kippschaltern für Wellenformauswahl und Co. Diese sind leider so klein geraten, dass im wahrsten Sinne des Wortes Fingerspitzengefühl gefragt ist. Für Live-Performances sind sie jedenfalls kaum geeignet und bestrafen minimal untightes Switchen von Wellenform oder Oktavlage mit deutlich hörbaren Blobs und Glitches – schade! Dafür macht das kleine, vierstellige LC-Display links unten auf dem Synth eine erstaunlich gute Figur und sorgt für den nötigen Überblick.
Die rückseitige Anschlusssektion des JX-08 ist im Vergleich zur wahrlich üppig bestückten Oberfläche überschaubar gehalten: MIDI-In und -Out in fünfpoliger DIN-Norm, Phones- und Stereo-Outs sowie ein Mix-In als 3,5mm-Miniklinkenbuchsen sowie ein USB-C-Anschluss sind alles, was der JX-08 zum Connecten benötigt.
Für die Kommunikation mit älterem Gear oder Volca-mäßigem Equipment gibt es noch einen 3,5mm-Sync-In auf der Oberfläche. Über die USB-Buchse wird das Gerät auch mit Strom versorgt, Smartphone-Netzstecker und Powerbanks können so hervorragend zweckentfremdet werden. In Verbindung mit einem Computer fungiert der JX-08 außerdem als Audiointerface, das Senden und Empfangen von MIDI-Signalen ist via USB ebenfalls möglich.
Der interne Speicher des JX-08 umfasst 256 Sounds und 128 Patterns, darunter 32 Presets des originalen JX-8P und 111 neu angefertigte Patches und Sequenzen. Passend zum portablen Design-Konzept gibt es noch einen integrierten Lautsprecher für „direktes Monitoring“ – für unterwegs ist das zwar nice-to-have, klangliche Offenbarungen liefern die Speaker aber natürlich nicht.
Überblick
Der JX-08 von Roland ist ein multitimbraler Synthesizer. Das bedeutet, es können bis zu zwei Patches gleichzeitig gespielt werden, sei es via Split- und Dual-Funktionen oder über die ebenfalls doppelt ausgelegten Sequenzer- und Arpeggiator-Modi. Pro Patch stehen zwei DCOs zur Verfügung, die als Sägezahn-, Rechteck- oder Pulswelle sowie White Noise erklingen können. Sync und Crossmodulation bestimmen den Grad der Interaktion zwischen den beiden Klangerzeugern und erlauben grundlegende FM-Sounds.
Mit einem LFO, zwei Hüllkurven und resonanzfähigem Tiefpassfilter samt Keytracking ist der JX-08 aber eigentlich ein ziemlich normaler, subtraktiver Synthesizer. Das ist aber auch gar nicht verkehrt, denn durch die permanente Doppelgleisigkeit des Workflows wird zwangsläufig viel Zeit mit Menüdiving verbracht – umso besser, wenn die Klangerzeugung selbst überschaubar gehalten ist.
So richtig zur Sache geht es mit den 17 Effekten, darunter diverse Chorus- und Delay-Engines, Overdrive, Pitchshifting oder Reverb. Pro Patch lassen sich drei dieser Effekte zu einer Kette kombinieren, was zusammen mit den vielen regelbaren Parametern für unfassbar vielseitige Klänge sorgt. Der achtstimmig polyphone Stepsequenzer kann bis zu 64 Schritte umfassen sowie Parameterfahrten mittels Motionrecording abspeichern bzw. wiedergeben.
Zusammen mit diversen Laufrichtungen und generativen Zufallsoptionen ist das Patternbuilding definitiv eine der größten Stärken des JX-08. Dank Velocity-Empfindlichkeit und Aftertouch-Kompatibilität macht mit entsprechendem Keyboard aber auch das Echtzeitspiel jede Menge Spaß.
Der Workflow
Rolands JX-08 kennt die Betriebsmodi Arpeggio, Note und Sequenzer, die mit jeweils eigener LED Aufschluss über ihren Status geben. Der Note-Modus erlaubt im Standalone-Betrieb das polyphone Echtzeitspiel anhand der 16 Stepbuttons, mit praktischen Funktionen wie Oktavwechsel im Direktzugriff. Wird der Note-Taster gehalten, kann zwischen den aktiven Patches A und B gewechselt werden. Hier gilt es, den Überblick zu bewahren, denn sonst wird schnell mal die Hüllkurve oder das Filter des falschen Patches geregelt. Der Arpeggiator spielt erwartungsgemäß gleichzeitig gespielte Noten hintereinander ab und im Sequenzer geht’s an die klassische Lauflichtprogrammierung.
Werden die Note-, Seq- oder Arp-Taster gedrückt gehalten, öffnen sich entsprechende Utility-Menüs für detailliertere Einstellungsmöglichkeiten, wie beispielsweise die Laufrichtung oder Subdivision von Arpeggio und Sequenzer. Um beim Blättern durch die Menüpunkte Zeit zu sparen, dienen die Stepbuttons als Shortcuts: Soll beispielsweise der achte Parameter des aktiven Menüs justiert werden, genügt das Drücken von Step-Taster acht, um direkt zum gewünschten Menüpunkt zu springen – sehr cool! Die Echtzeitkontrolle der Sounds via Fader, Potis und Co. wird beim Menüdiving übrigens nicht unterbrochen, wodurch der JX-08 jederzeit spielbar bleibt.
Abgesehen vom multitimbralen Workflow ist eine weitere Besonderheit des JX-08, dass die Patches unabhängig von den programmierten Sequenzen gespeichert werden. Das heißt, bei gleichbleibender Sequenz kann mittels Stepbuttons munter durch die Presets geskippt werden, vorausgesetzt weder der Note-Modus noch der Arpeggio, Stepsequenzer oder sonst irgendein Menü ist aktiv.
Um eine neue Sequenz aufzunehmen, kann durch gleichzeitiges Betätigen der Note- und Startschalter die Echtzeitaufnahme gestartet werden, die nicht nur Noten auf die Steps verteilt, sondern auch Parameterautomationen aufnehmen kann. Alternativ kann zunächst der gewünschte Stepbutton gehalten und dann die Noteneingabe via MIDI-Keyboard oder Ähnlichem vollzogen werden, um Steps zu beladen.
Obwohl Rolands JX-08 eigentlich ein Synthesizer ist, fühlt sich der Workflow rund um den Sequenzer ganz schön nach Groovebox an, mitunter wegen der klassischen Kombination aus Data-Dial und Display sowie der breiten Effektpalette. Apropos Effekte: Rechts am Instrument befinden sich drei beleuchtete Funktionstaster, mit denen sich zwei verschiedene Chorussounds und der Reverb zuschalten lassen.
Die Klangregelung der Effekte geschieht wieder mittels Data Dial und Display, die entsprechenden Menüs werden konsequenterweise durch Gedrückthalten des jeweiligen Buttons erreicht. Werden beide Chorus-Taster gehalten, können sogar noch Delay, Distortion und Co. genutzt werden – Hauptsache, es bleibt bei insgesamt drei aktiven Effekten.
Der Sound
Als digitaler Nachbau eines analogen Vorbilds ist die Sound-Frage beim JX-08 wahrscheinlich wichtiger denn je. Wer schon mit MC-101 oder 707, kurzum mit der Zen-Core-Engine von Roland gearbeitet hat, weiß, dass sich die digitale Klangerzeugung aus Japan gewaschen hat. Die DCOs punkten mit organisch lebendigem Sound und haben in tieferen Lagen ordentlich Bass.
Auch die Chorus-Algorithmen scheinen Nachbildungen von analoger Hardware zu sein und machen so ziemlich jeden Patch zum ultrabreiten 80er-Brett, was natürlich sehr gut ist. Im Ernst, wenn Roland einen Effekt-Sound kann, dann Chorus und das mit Tradition. Lofi-Compression und Overdrive sorgen für noch mehr schönen Schmutz und profitieren ebenfalls von Rolands Erfahrung im Business.
Bei den übrigen Effekten geht es etwas cleaner zu, was für Delay, Flanger und Phaser aber durchaus in Ordnung ist. Das resonanzfähige Tiefpassfilter kommt sogar mit vier verschiedenen Filtertypen, packt ordentlich zu und kann auch super zwitschern. Außerdem wurde ein separates Highpassfilter integriert, das für Performance und Sounddesign ein wahrer Segen ist, selbst wenn es in Sachen Einstellungsmöglichkeiten ziemlich reduziert ist.
Insgesamt überzeugt die Mischung aus quasi-analogen Grundsounds und crispy cleanen FX-Algorithmen sehr, auch wenn manchmal etwas länger geschraubt werden muss, bis es passt. Das klassische Synthesizer-Feeling, in das Instrument einzutauchen und neuartige und sonderbar lebendige Sounds zu finden, kommt mit dem JX-08 auf jeden Fall zustande.
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Fazit
Rolands JX-08 ist mit seinem multitimbralen Klangkonzept und der grooveboxartigen Ausstattung an FX- und Sequencer-Optionen ein recht spezieller Synthesizer. Zusammen mit der digitalen Klangerzeugung wirkt das vielleicht abschreckend, aber nach kurzer Einarbeitung fällt auf: Der JX-08 ist im Herzen ein super klingender, gut strukturierter Polysynth. Der sequenzerbasierte Workflow und die doppelgleisige Natur der Multitimbralität bedeuten zwar mehr Menüdiving, sind am Ende des Tages aber ein inspirierender Take auf Klangsynthese und Patternbuilding. Wie die anderen Synthesizer aus Rolands Boutique-Reihe eignet sich auch der JX-08 hervorragend für portable Hardwaresetups und ist mit seinen Groovebox-Features ein echtes Powerhouse in der Gewichtsklasse. Generell macht das Jammen und Performen mit dem multitimbralen Synthesizer eine Menge Spaß, weil sich so ziemlich alle Einstellungen bei laufenden Patterns und Arpeggios vornehmen lassen. Wenn es also nicht analog sein muss und Geld eine Rolle spielt, ist der JX-08 mit seinem spannenden Bedienkonzept für eigentlich alle Synthesizer-Fans einen Check wert, Spielspaß garantiert.
Pro
Leistungsstarker Sequenzer
Durchweg gut klingende Emulationen von Synth- und FX-Sounds
Ideal für unterwegs dank Batteriebetrieb und kompakter Größe
Kontra
Kleine Buttons und Fader
Sequenzer-Workflow ist Geschmackssache
Preis:
334,00 EUR
Weitere Informationen gibt es auf der Website von Roland.
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