Test: Roland S-1 – Tweak-Synthesizer mit FX und Sequenzer

Test: Roland S-1 – Tweak-Synthesizer mit FX und Sequenzer

Tests. 8. September 2024 | / 5,0

Geschrieben von:
Kai Dombrowski

Die AIRA Compact Serie von Roland bekommt Zuwachs. Das gute Stück heißt S-1 und basiert auf dem klassischen Monosynth SH-101 aus demselben Hause. Hinter der Klangerzeugung steckt wie immer die vielgelobte ACB-Technologie des japanischen Herstellers. Trotz der geringen Größe der AIRA Compacts hat Roland eine Menge moderne Upgrades integriert. Als Tweak Synthesizer legt der Roland S-1 besonderen Wert auf Hands-on-Kontrolle und verfügt im Vergleich zum preset-lastigen Chordsynth J-6 über zahlreiche Klangfärbungsoptionen. Wie sich Rolands S-1 in der Praxis schlägt, zeigt dieser Test.

Quick Facts

  •   Vierstimmig polyphon mit SH-101 Synth Engine (ACB)
  •   64 Stepsequencer mit Substep, Probability, Steprepeat und Velocity
  •   Oscillator Draw, Oscillator Chop und Riser für detailliertes Waveshaping
  •   MIDI In/Out, Sync In/Out und USB-C für USB-Audio/MIDI und Strom
  •   Lithium-Ionen-Akku für bis zu 4,5 h Betrieb

Roland S-1: Verarbeitung, Haptik und technische Daten

AIRA Compact misst 188 x 106 x 36,2 mm, kommt im Plastikgehäuse daher und wiegt 295 g. Wer bereits mit den anderen Vertretern aus Rolands portabler Serie zu tun hatte, weiß, dass die Geräte nicht nur handlich, sondern erstaunlich stabil und für das Geld hervorragend verarbeitet sind. Der Roland S-1 bildet da keine Ausnahme und fügt sich mit der grünen Unterseite schön in die bunte Farbgebung der Compacts ein. Wie immer leidet bei derartig kleinem Gear aber die Bedienbarkeit, weil nur wenig Platz für Potis, Buttons und Co. bleibt.

Beim Roland S-1 fällt das noch stärker auf, da er mit 19 Drehreglern über noch mehr Potis verfügt als die Roland T-8. Dafür sind die Steuerungselemente für LFO, Oszillator und Filter nicht nur räumlich schön aufgeteilt, sondern auch farblich sortiert. Das sieht schick aus und erleichtert den Überblick, sodass sich der S-1 schnell wie zu Hause anfühlt.   

Für eine bessere Spielbarkeit hat Roland dem neuen Tweak Synth 26 Klaviaturtasten spendiert, beim J-6 waren es nur halb so viele. Mit knapp 10 x 5 mm Seitenlänge sind die "Tasten" des S-1 jedoch mindestens genauso frickelig zu bedienen wie die Stiftpotis und genau wie bei den anderen AIRA Compacts ganz schön wabbelig. Die quer angeordneten Funktionstest sind aus demselben, weichen Gummi gefertigt und minimal länger.

Wie immer rundet eine vierstellige Digitalanzeige mit obligatorischem Endlos-Encoder das Bedien-Interface des kompakten Synthesizers ab. Letzteres hilft beim Menü-Diving durch die zahlreichen Extrafunktionen des Roland S-1. Weil so ziemlich alle Buttons doppelt belegt sind, sind die Menüstrukturen erstaunlich flach gehalten, allerdings gilt auch beim Roland S-1 zunächst, die kryptischen Abkürzungen im Display kennenzulernen.  

Roland S-1 von oben.

Roland S-1: Anschlüsse und Lieferumfang

Rolands S-1 kommt mit demselben Arsenal an Anschlüssen wie der Rest der AIRA-Compact-Familie: Power-Schalter, MIDI-In und -Out sowie ein USB-C-Anschluss auf der Rückseite, Mix-In und -Out sowie Sync-In und -Out auf der Gehäuseoberfläche. Bis auf den USB-Slot sind alle Buchsen im 3,5-mm-Miniklinkenformat gehalten und eignen sich zum Kaskadieren von Audio- und Clock-Signalen.

Per USB lädt sich der interne Akku des Roland S-1 auf, und es können sogar MIDI- und Audiosignale mit DAWs und Co. ausgetauscht werden. Die Ausnahme bildet das Audiomaterial, welches per Mix-In eingeschleift wird. Laut Herstellerseite hält der integrierte Lithium-Ionen-Akku bis zu 4,5 Stunden, aber auch nach Abzug von 60 Marketing-Minuten ist die Betriebszeit absolut in Ordnung.

Ein integrierter Lautsprecher würde wahrscheinlich den Formfaktor der AIRA Compacts sprengen, wäre angesichts der Transportfähigkeit aber überaus praktisch. Frage an die Tech Nerds: Warum gibt es so selten Gear mit Bluetooth-Funktion für portable Lautsprecher? Im Lieferumfang des Tweak Synthesizers sind das passende USB-C-Kabel sowie eine Schnellstartanleitung enthalten.  

Roland S-1 Anschlüsse.

Roland S-1 vs. SH-101: Sound und Original

Wie oben erwähnt, ist Rolands S-1 dem analogen Synth-Klassiker SH-101 nachempfunden, der dank optionalem Gitarrenhals-Addon auf der Keytar-Welle der frühen 80er mitschwamm. Den richtigen Hype gab es jedoch erst in den 90ern, nachdem die Marktsättigung an neumodischen Digitalsynths ihren Zenit erreicht hatte. Als monophoner Synthesizer sorgte der SH-101 primär für Bässe und Leads, bei beinahe selbsterklärender Bedienbarkeit. Der simple Aufbau aus vier mischbaren Wellenformen, einem Lowpassfilter, einem LFO und einer ADSR-Hüllkurve begünstigte die Ease of Use. Dank integriertem Arpeggiator eignete sich der Synth außerdem für weniger virtuose Finger. 

Statt auf analoges Mojo setzt Roland beim neuen Roland S-1 auf seine sich stetig weiterentwickelnde ACB-Technologie. Der A/B-Vergleich mit dem Original zeigt, dass digital analog vom großen R mittlerweile kaum noch als Imitat auffällt. Außerdem bleibt so mehr Platz für Bonus-Features à la vierstimmiger Polyphonie, eingebaute Effekte oder umfassendem Sequenzer. Klanglich ist der Roland S-1 immer noch derselbe: nicht ganz so fett wie ein Moog, aber durchaus für drückende Bässe geeignet, Filterresonanz mit Selbstoszillation und Keytracking für Faux-Chords sowie überschaubare Modulation via LFO und ADSR für spannende Leads. Es ist also kein Wunder, dass der SH-101 in vielen Produktionen elektronischer Musik vertreten ist, von Techno über Acid bis House.   

Oszillator, Draw und Chop

Ganz originalgetreu kommt Rolands S-1 mit nur einem Oszillator aus, der wahlweise als Rechteck- oder Sägezahnwelle erklingen kann und über einen separaten Noisegenerator verfügt. Das Rauschen kann entweder als White Noise oder Pink Noise ausgegeben werden, und die Rechteckwelle lässt sich in ihrer Pulsbreite justieren sowie per LFO und Hüllkurve modulieren.

On top gibt es noch einen pulswelligen Suboszillator, der eine oder zwei Oktaven unter dem Hauptsignal liegt und sich alternativ auch als unsymmetrische Rechteckwelle generieren lässt. Das Schöne beim Tweak Synthesizer ist, dass Sub, Pulse, Saw und Noise über jeweils eigene Potis verfügen, mit denen sich die Schwingungsformen  vermischen lassen. Die Oszillatorsektion wird mit einem weiteren Poti für die allgemeine Oktavlage von 2' bis 64' sowie einem Regler für die LFO-Tiefe der Pitch-Modulation abgerundet. 

Das war jedoch längst nicht alles, denn unter der Haube des S-1 befinden sich noch weitere Waveshaping-Tools, die die Klangerzeugung des Synthesizers vom Vorbild SH-101 abheben: Mit Oscillator Draw lässt sich beispielsweise die Rechteckwelle durch eine Dreiecks- oder Treppenform ersetzen, die dann über die Klaviatur moduliert werden kann. Dabei wird ein Cycle der Welle analog zur unteren Reihe der Key Buttons in 16 Segmente unterteilt, welche mit Wertzuschreibungen von +/- 100 den Ausschlag des jeweiligen Abschnitts "einzeichnen".

Via Oscillator Chop können Rechteck, Sub, Säge und Noise mit weiteren Obertönen versehen werden, indem Teile aus der Wellenform ausgeschnitten werden. Das geschieht erneut über die 16 Taster unten am Synth und ist überaus vielseitig, weil die vier Waves mit individuellen Chop-Settings versehen und anschließend gemischt werden können. 

Filter, LFO, Envelope und FX

Das Filter des S-1 wird von Roland lediglich als Lowpass-Filter erwähnt, angesichts des SH-101 müsste es sich genauer um ein 4-poliges 24 dB Filter handeln. So oder so klingt die ACB-Version des S-1 absolut großartig und lässt sich ultra smooth regeln, ohne hörbare Abstufungen des Cutoff. Die Filterresonanz sorgt ganz originalgetreu für Bassausdünnung und eignet sich so hervorragend für zwitschernde Acid Lines. Bei extremen Settings geht das Filter sogar in die Selbstoszillation und lässt sich mittels Keytracking als zusätzlicher Oszillator verwenden.

Der LFO des S-1 ist relativ überschaubar gehalten und kann entweder die Tonhöhe des Oszillators oder den Cutoff des Filters modulieren. Die verfügbaren Schwingungsformen sind Ramp-, Saw-, Pulse- und Dreieckswellen sowie Noise und Random. Die LFO-Frequenz reicht bis in den hörbaren Bereich, lässt sich grob in schnelle oder "normale" Tempi unterteilen, was die Reglerpräzision begünstigt und kann außerdem zur Clock gesynct werden. 

Leider hat Roland in Sachen Hüllkurven keinerlei Upgrades vorgenommen, und so kommt der Roland S-1 genau wie der SH-101 mit nur einem ADSR-Envelope für Amp und Filter. Der Amp lässt sich zwar auch mit simplen Gate-Signalen triggern, um die Hüllkurve ganz dem Filter zu überlassen, aber wenigstens rudimentäre Settings in Form von Attack-/Decay-Slopes wären hier schön gewesen. Wieder mit an Bord sind Rolands Delay und Reverb Effekte, die bereits bei den anderen Compacts für Pluspunkte gesorgt hatten.

Etwas versteckter gibt es beim Roland S-1 noch einen Chorus, ebenfalls in bester Roland Qualität. Als weitere Modulationsmöglichkeit gibt es beim Roland S-1 das D-Motion Feature, bei dem Schwenk- und Kippbewegungen des Synthesizers verschiedene Parameter verändern. Zur Auswahl stehen unter anderem Panning, Delay- und Reverb-Sends, Lautstärke, Cutoff, Resonanz und Pitch. Per D-Motion lassen sich gemäß horizontaler und vertikaler Bewegungen bis zu zwei Parameter ansteuern. 

Roland S-1: Sequenzer und Arpeggiator

Im Vergleich zum SH-101 wurden die Arpeggiator- und Sequencer-Funktionen des Roland S-1 merklich überarbeitet. So verfügt der Arp jetzt über acht verschiedene Laufrichtungen. Beim SH-101 gab es nur Down, Up/Down und Up. Rolands neuer Tweak Synth kennt außerdem noch Random und bietet die Möglichkeit, die arpeggierten Läufe auf zwei Oktaven zu erweitern.

Der Shuffle-fähige Sequenzer kann jetzt zwischen einem und 64 Schritten jede erdenkliche Länge bedienen und lässt sich mit Velocity, Probability oder Substeps verfeinern. Letztere machen aus einem gesetzten Trig wahlweise zwei, drei oder vier Anschläge. Die Performance-Tauglichkeit des Sequencers wird mit intuitiver Transpose-Funktion oder Step Loop gewährleistet und abgesehen von Note und Gate Data können pro Step bis zu acht Parameter automatisiert werden.

Die Aufnahme in den Sequenzer kann in Echtzeit erfolgen, wobei das integrierte Metronom mit justierbarem Count In eine große Hilfe darstellt. Auch die oben erwähnten Automationen sind live am einfachsten zu recorden. Die Lauflichtprogrammierung einzelner Steps ist etwas aufwendiger, weil Noten, Gate-Längen und Pausen separat eingegeben werden müssen. Praktisch ist auch, dass Note- und Motion Data getrennt voneinander gelöscht werden können, sodass bei verhauener Automation nicht direkt das gesamte Pattern gelöscht werden muss. Apropos Pattern: Rolands S-1 speichert Sequenzer- und Synthesizer-Daten zu einem Pattern ab und bietet auf vier Bänken Platz für jeweils 16 Patterns, also 64 insgesamt.   

Roland S-1: Alternativen

Fazit

Der S-1 aus Rolands AIRA Compact Serie ist der erste Synthesizer der Reihe mit differenziertem Zugriff auf die Klangregelung. Die vielen Einstellungsmöglichkeiten, die das Arsenal des SH-101 weit übertreffen, zusammen mit dem absolut gelungenen ACB-Sound machen die kleine grüne Kiste zu einem brauchbaren Sound-Design-Instrument. Hinzu kommen Ease of Use, Portabilität und ein fairer Preis, sodass der Roland S-1 getrost zu den wahrscheinlich spannendsten AIRA Compacts zählt. Wer also gerne unterwegs musiziert und kein Problem mit wenig Platz auf der Bedienoberfläche hat, sollte Rolands neuen Tweak Synth definitiv auschecken.

Gesamtwertung:
4,0 von 5,0
Qualität:  
4,0 von 5,0
Klang:  
4,5 von 5,0
Preis-Leistung:  
4,0 von 5,0

Pro

Super Sound dank ACB
Sound-Vielfalt dank Waveshaping
Konnektivität und Akku sind ideal für Portable Setups

Kontra

Kleine Bedienelemente
Verschachtelte Menüführung
Nur eine Hüllkurve

Preis:

185 EUR

Weitere Informationen gibt es auf der Website von Roland.

Veröffentlicht in Tests und getaggt mit AIRA Compact , Arpeggiator , Polyphon , Roland S-1 , sequenzer , Tweak Synthesizer , Waveshaping

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