Es ist der Sound, der ab 1989 bis spät in der Nacht aus den Kinderzimmern der ganzen Welt zu hören war – jener Sound, der so manche Eltern zum Verzweifeln brachte und zugleich viele Jugendliche und Junggebliebenen bei ihren ersten virtuellen Spieleabenteuer begleitete: Der 16-Bit-Sound der Sega Mega Drive Konsole ist Kult. Die Lofi-Soundtracks und Melodien, die zunächst als Hintergrundkulisse dienen sollten, haben bis heute einen wichtigen emotionalen Platz im Herzen vieler musikbegeisterter Gaming-Fans.
Der Liven Mega Synthesis des japanischen Herstellers Sonicware vereint die beliebten Sound-Engines des Mega Drive und bündelt diese gemeinsam mit einer Effekt-Sektion, einer Sampling-Funktion sowie einem modernen Sequencer in einer kompakten Groovebox. Mit diesen Features ist das budgetfreundliche Gerät nicht nur für alle Chiptune-Fans interessant, die den nostalgischen Geist der Achtziger-Jahre-Games musikalisch aufleben lassen wollen. Was sich mit der Retro-Groovebox möglicherweise auch abseits dieser Genres alles so anstellen lässt, zeigt dieser Test.
Quick Facts
- Klassische 16 Bit Sound Engines der Sega Mega Drive Konsole
- Sequencer mit Lauflänge von bis zu 128 Steps
- Effekt-Sektion mit 11 Effekten
- Batteriebetrieb möglich
- MIDI Ein- und Ausgang
Verarbeitung und technische Daten
Der Liven Mega Synthesis besitzt mit Maßen von 297 x 176 x 48 mm dieselbe Größe wie alle anderen Mitglieder der Liven-Serie und auch optisch reiht sich die Groovebox gut in diese in die Reihe ein. Das mattschwarze Gehäuse in Kombination mit weißen Details wirkt modern und zeitgemäß – einzig der Schriftzug im ikonischen Mega-Drive-Look zeugt von der Retro-Power, die dem Gerät innewohnt.
Selbst für seine überschaubare Größe wirkt der Liven Mega Synthesis erstaunlich leicht: Mit einem Gewicht von 790 Gramm findet die Groovebox problemlos in jedem Handgepäck einen Platz. Die Verarbeitungsqualität der Liven-Geräte ist mit einem Blick auf den Preis akzeptabel, dennoch strahlt das federleichte Gerät eine gewisse Fragilität aus. Der nur geringfügig teurere Model:Cycles von Elektron wirkt dagegen beispielsweise um einiges robuster und belastbarer.
Auf der Oberfläche des Gerätes finden sich Drehregler, hinterleuchtete Schaltknöpfe aus Gummi wie auch eine Reihe von Plastik-Schaltknöpfen, die unter anderem auch als "Keyboard" und Sequencer dienen. Letztere besitzen ein deutliches Spiel und erzeugen bei jedem Drücken ein prominentes Klickgeräusch, ähnlich wie man es auch von älteren Elektron-Geräten kennt.
An den recht harten mechanischen Anschlag der Tasten gewöhnt man sich beim Spielen jedoch erstaunlich schnell und bei der Benutzung mit Kopfhörern stört der Geräuschpegel der Tasten kaum. Wer jedoch auf ein sehr taktiles und ruhiges Spielgefühl Wert legt (oder von der unterstützten Anschlagdynamik Gebrauch machen will), der sollte besser mit einem zusätzlichen MIDI-Keyboard arbeiten.
Liven Mega Synthesis: Anschlüsse und Lautsprecher
Trotz seiner kompakten Form findet man am Liven Mega Synthesis die wichtigsten Anschlüsse für eine flexible Einbindung in gewöhnliche Audio-Setups. Neben der Stromversorgung über ein 9V-Netzteil finden sich Ein- und Ausgänge für Sync und MIDI, ein Stereoausgang per Miniklinke sowie ein 3,5mm-Kopfhörerausgang. Der Input von Samples erfolgt ebenfalls per Miniklinke.
Einen USB-Anschluss sucht man an der Groovebox allerdings vergebens, was zwar gut zum Retro-Konzept passt, aber auch einen gewissen Komfort, zum Beispiel beim Synchronisieren mit einer DAW vermissen lässt. Alle Ein- und Ausgänge befinden sich einfach zugänglich auf der Oberseite des Gerätes, was gerade für kompakte Desktop-Setups ein praktischer und platzsparender Faktor sein kann.
Ebenfalls auf der Oberseite findet sich außerdem ein Lautsprecher, über dessen Sinnhaftigkeit sich wie auch bei allen anderen Mini-Synths diskutieren lässt. Unstrittig ist: Das Klangbild entspricht ungefähr dem eines besseren Smartphones und ist damit zumindest deutlich weniger blechern als zum Beispiel das der in der Korg Volca-Serie verbauten Mini-Tweeter. Für spontane Jam-Sessions auf der Couch kann die puristische Abhöre damit durchaus nützlich sein, wenn Kopfhörer gerade mal nicht zur Hand sind.
Sound-Engines und Klangcharakter
Die Groovebox besitzt drei unterschiedliche Sound-Engines, die den insgesamt sechs verfügbaren Tracks fest zugewiesen sind. Track eins bis drei arbeitet mit FM-Synthese, die im Liven Mega Synthesis vier Operatoren und 8 Algorithmen umfasst. Klangquelle ist dabei eine authentische Nachbildung des Chip-Moduls YM2612, wie es auch in Segas Mega Drive verbaut war.
Die Bearbeitung eines FM-Patches wird über einen FM-Edit-Button aktiviert. Dadurch verändert sich die Funktionalität einiger Bedienelemente und Algorithmus, Hüllkurven (ADSR oder SSG) der einzelnen Operatoren sowie die beiden LFOs lassen sich per Drehregler ansteuern. LFO-1 steuert dabei immer die Lautstärke der einzelnen Operatoren, LFO-2 den globalen Tune-Wert.
Ein im Lieferumfang enthaltenes Overlay-Sheet soll die Orientierung im FM-Mode erleichtern, indem es die veränderte Funktion der Drehregler sichtbar macht – gerade für Neueinsteiger:innen praktisch. Wer jedoch bisher mit FM-Synthese gar nichts am Hut hatte, der wird selbst mit Sheet nicht drum herumkommen, sich zumindest mit den Grundlagen dieser Syntheseform auseinanderzusetzen.
Insgesamt können auf den ersten drei Tracks maximal sechs Stimmen gleichzeitig gespielt werden. Was zunächst nach viel klingt, ist in der Praxis gerade beim Spielen komplexerer Akkorde sehr schnell ausgeschöpft. Wer kein "Voice-Stealing" riskieren will, muss hier also etwas mit planender Voraussicht arbeiten.
Track vier und fünf arbeiten mit der deutlich weniger komplexen PSG-Synthese. Hier stehen Rechteck, Pulswelle sowie neun unterschiedliche Noise-Wellenformen zur Auswahl, die jeweils über die Parameter Tuning, Attack und Release bearbeitet werden können. Auf bis zu vier möglichen Stimmen ist hier von sehr harmonischen Klängen bis hin zu den Chiptune-typischen perkussiven Drumsounds ebenfalls einiges möglich – im Vergleich zur FM-Synthese ist das klangliche Spektrum hier jedoch bereits deutlich enger.
Den sechsten Track belegt ein 8-Bit-Sampler, der wahlweise in 12, 24 oder 48 kHz mit Samples gefüttert werden kann. Die maximale Samplelänge beträgt dabei acht Sekunden (bei 12 kHz). Aufgenommene Samples können im Slice-Modus als Drum-Kit mit bis zu sechs Slices wie auch als "One-shot" chromatisch gespielt werden. Dabei ist das gleichzeitige Spielen von maximal drei Stimmen möglich.
Im Zusammenspiel ergeben diese sechs Tracks eine bunte Tüte an klanglichen Kombinationsmöglichkeiten, mit der sich problemlos ganze Songs komponieren lassen. Besonders mit den drei FM Tracks lassen sich Pads, Leads aber auch Bässe mit einem soliden Fundament erzeugen und die Sample-Funktion ist wie geschaffen für knackig-texturierte LoFi-Drums. Beim Erstellen von Drum-lastigen Sequenzen wünscht man sich auch gerade deshalb recht schnell einen siebten Track zum Abspielen von Samples – hier zwingen einen die Limitationen des Liven Mega Synthesis zum kreativen Arbeiten mit dem PSG-Engine und man muss eben aus einer Noise-Welle die Hihat formen.
Genau diese unkonventionellen Wege der Klangerzeugung waren und sind es, die den Sound des Mega Drive Games so besonders machen. Natürlich liegt ein ebenso großer Teil der klanglichen Essenz im LoFi-Charakter der Sound-Engines. Der durchweg schrille digitale Charakter der geringen Bitrate erinnert wie von alleine an Zeiten voller Unbeschwertheit und bringt immer etwas Sympathisch-Naives und Verspieltes mit sich.
Liven Mega Synthesis: Workflow
Mit den drei unterschiedlichen Sound-Engines und den vielen weiteren Features besitzt die kompakte Groovebox alles andere als eine geringe Komplexität. Entsprechend ist die Lernkurve zumindest für alle, die bisher noch nicht mit einem Gerät der Liven-Serien gearbeitet haben, anfangs recht steil. Das Gute daran: Auch ohne die tiefer liegenden Features zu kennen, macht die Benutzung der Groovebox über die direkt zugänglichen Parameter bereits eine Menge Spaß. So fällt es leicht, sich Stück für Stück mit dem Gerät vertraut zu machen, ohne direkt vor frustrierenden Barrieren zu stehen.
So lassen sich beispielsweise über die Drehregler Oktave und Hüllkurve (Attack und Release) für die einzelnen Tracks direkt ansteuern. Auch gibt es eine per Drehregler zugängliche "Sweep"-Funktion. Dahinter verbirgt sich ein LFO, der den Pitch moduliert und mit dem sich so im Handumdrehen Vibrato-Effekte erzeugen lassen. Behutsam eingesetzt können diese sehr dabei helfen, den eher digitalen Klängen der Groovebox einen Hauch Menschlichkeit zu verleihen. Über einen dedizierten Pan-Drehregler lassen sich Klänge präzise im Stereofeld platzieren – besonders in Kombination mit dem Parameter-Locking und dem Reverb kann man so bereits in der Groovebox ein sehr lebendiges Stereopanorama erzeugen. Dank zweier zentral zugänglichen Drehregler – jeweils für Bank und Sound – sind auch die Suche und Auswahl von gespeicherten Presets sehr einfach und schnell zu bewältigen.
Zwar gibt es am Liven Mega Synthesis keine Untermenüs, was mit dem Display auch kaum möglich wäre, doch nahezu alle Bedienelemente besitzen eine Zweitfunktion, die sich über das Gedrückthalten eines Function-Buttons aktivieren lässt. Die erweiterte Funktionalität ist über eine Beschriftung am Gerät sowie über den angezeigten Parameter am Bildschirm in den meisten Fällen erkennbar, dennoch braucht es eine Weile und unter Umständen auch den ein oder anderen Blick in das Handbuch, bis das Ansteuern aller Parameter etwas lockerer von der Hand geht.
Liven Mega Synthesis: Sequenzer und Arpeggiator
Ergänzend zum Sequencer ist auch ein Arpeggiator an Bord, den man etwas versteckt im Voice-Mode-Menü findet. Dieser kennt insgesamt 12 Bewegungsmuster, kann per Time-Division in seiner Geschwindigkeit angepasst werden, und ist natürlich besonders für Chiptunes unverzichtbar. Die Arpeggiator-Einstellungen lassen sich per Track individuell bestimmen und werden beim Speichern einer Sequenz im jeweiligen Pattern festgehalten – so hat man das gerne.
Liven Mega Synthesis: Effekt-Sektion
Die Effekt-Sektion des Liven Mega Synthesis umfasst insgesamt 11 Effekttypen: Send Delay, Insert Delay, Reverb, Bitcrusher, Distortion, Kompressor, Low-Pass-Filter, High-Pass-Filter, Isolator und Remix Performance. Per Drehregler wird jeweils ein globaler Effekt bestimmt, dem die einzelnen Tracks dann per Send-Regler dosiert zugewiesen werden können. Die digitalen Effekte klingen alle eher gewöhnlich, bieten aber dennoch eine Menge Potenzial, um den zuweilen etwas harsch klingenden Chiptune-Sounds etwas mehr Lebendigkeit zu verleihen.
Zwar lassen sich Effekt-Parameter über zwei Drehregler auch feinjustieren (wie z. B. Reverb-Länge und Raumgröße), wer jedoch eine wirklich tiefgreifende Möglichkeit der nachträglichen Soundbearbeitung sucht, stößt hier schnell an Grenzen. Die Zuordnung individueller Effekte für die einzelnen Tracks wäre ein wirklicher Game-Changer, der sich aber vermutlich aufgrund der begrenzten Chip-Power auch mit einem zukünftigen Update nicht realisieren lassen dürften. Aber auch bereits so ist die Effekt-Sektion ein brauchbares Werkzeug und besonders für kleine Live-Performances eine tolle Bereicherung.
Liven Mega Synthesis: Alternativen
Fazit
Was den Klang betrifft, bringt der Mega Synthesis keine großen Neuerungen und Überraschungen mit sich. Und das ist natürlich genau richtig so: Die verbauten Engines klingen exakt so, wie man es dem Namen und Konzept nach erwartet – nämlich verdammt authentisch nach den Videospielen der 80s. Gepaart mit dem modernen Sequencer und den nützlichen Effekten sind mit dem Mega Synthesis allerdings durchaus einige kreative neue Spielarten möglich, die zum musikalischen Experimentieren anregen – vor allem der leistungsfähige Sequencer sowie die Sample-Funktion spielen hierbei eine zentrale Rolle. Gleichzeitig ist der Mega Synthesis nicht das einzige Gerät der Liven-Familie, welches ganz bewusst mit Chip-Technologie aus dem letzten Jahrtausend arbeitet: Unter anderem lässt sich beispielsweise mit dem Liven Lofi-12 wie auch dem 8-Bit warps bedingt durch die geringe Bittiefe ein ähnlicher Retro-Klang erzeugen. Es ist vor allem die originalgetreue Kombination der drei Syntheseformen des Mega-Dive kombiniert mit der Vielseitigkeit einer Groovebox, die den Charm und das Alleinstellungsmerkmal des Mega Synthesis im Kern ausmacht. Von kleinen FM-Klangexperimenten und ausgearbeiteten Kompositionen bis hin zu kleinen Live-Performances ist mit der kleinen Kiste einiges möglich. Ganz klar: Chiptunes sind naturgemäß die Stärke des kleinen Instruments. Drückt man die Tasten, sieht man vor dem inneren Auge unweigerlich Pixel tanzen. Aber auch fernab von Videospielmusik kann der Mega Synthesis durch seinen charmanten LoFi-Sound ein inspirierendes Werkzeug sein, um die klanglichen Barrieren anderer Genres zu durchbrechen und frische Impulse zu setzen. Die Sound-Engines in Kombination mit der geringen Bitrate verleihen allem, was man der kleinen Kiste entlockt, eine lebendige Textur und ordentlich Crunch – eine gewisse digitale Rohheit, die mit Sicherheit Geschmackssache ist, welche man in den hyper-sterilen HiFi-Produktionen heute manchmal zurecht vermisst. Für Liebhaber:innen des 16-Bit-Sounds ist die Groovebox eine wahre Nostalgie-Maschine und für den Preis ein absolutes Must-have, aber auch alle anderen LoFi-Begeisterten finden darin ein inspirierendes kleines Instrument mit tollen Features und großem Spaß-Faktor.
Pro
Originalgetreuer Klang durch drei unterschiedliche Sound-Engines
Leistungsfähiger Sequencer
Effektsektion
Kontra
Begrenzte Polyphonie
Kein USB-Anschluss
Gewöhnungsbedürftiger Workflow
Preis:
269 EUR
Weitere Informationen gibt es auf der Website von Sonicware.
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