Die amerikanische Pedalschmiede Strymon Engineering hat in den letzten Jahren wie kaum ein zweiter Hersteller die Soundästhetik des Stompbox-Business geprägt. Längst nicht mehr nur von Gitarristinnen geschätzt, haben besonders die Hall- und Delay-Effekte der Amis Einzug in die Rigs rund um Keys, Synth und Co geschafft. So auch der Reverb-Bullide BigSky, welcher für viele als No-Brainer gilt, wenn ein gut klingender Hall her muss und Geld keine Rolle spielt. Dieser Test soll zeigen, warum und ob der BigSky auch sechs Jahre nach dem Release seinem Ruf gerecht wird.
Verarbeitung und technische Daten
Mit Dimensionen von 61 x 168 x 121 mm und einem Gewicht von 665 g zählt der BigSky zu den massigen Tretminen und beansprucht relativ viel Platz auf Paddelboot und DJ-Pult. Doch die Größe ist angemessen, denn so finden auf der Oberfläche sieben Potis, zwei Endlos-Encoder, ein Display und drei Footswitches Platz. Die kunstvoll ineinander greifenden Gehäuseteile sind nach Strymon-Standard aus robustem Metall und überaus stabil, die blaue Farbe lädt zum Abtauchen und Träumen ein. Auch Potis und Schalter wirken absolut solide und halten Jahre im ruppigen Road-Alltag stand. Das Display ist spaltfrei ins Gehäuse eingelassen, gut lesbar und zeugt ebenfalls von der einwandfreien Verarbeitung aus dem Hause Strymon.
Rückseitig befinden sich Stereo Ein- und Ausgänge in 6,35mm-Klinkenausführung sowie ein Anschluss für Expression Pedal oder Extra Fußschalter. MIDI Ins und Outs nach DIN-Norm erlauben nicht nur die Synchronisation der zeitbasierten Parameter des BigSky: Als voll MIDI-fähiges Gerät lässt sich das Pedal komplett fernsteuern, weshalb auch komplexere Setups vom BigSky profitieren.
Der Anschluss fürs Netzteil entspricht trotz der hohen Rechenleistung des Geräts mit 9 Volt DC center negative dem Industriestandard – lediglich der hohe Ampere-Verbrauch von 300 mA minimum erschwert die Steckersuche. Auch wenn das passende Netzteil im Lieferumfang enthalten ist, setzen viele beim Gebrauch mehrerer Pedale auf eine Stromversorgung fürs ganze Setup. Schön, wenn man sich dabei in Sachen Kompatibilität keine Sorgen machen muss! Beim Cab Filter handelt es sich um eine zuschaltbare Speaker-Simulation, um auch ohne Gitarrenverstärker die gewohnte Frequenzbreite zu bedienen.
Je nach Amp bedeutet das beim Gig bis zu 30 kg weniger schleppen, bei anderen Instrumenten kommt dieser Schalter wohl eher selten zum Einsatz. Frisch ausgepackt ist auch die Unterseite des BigSky komplett in Metall gehalten. Wer mag, kann hier die mitgelieferten Gummifüße ankleben oder sich über eine glatte Oberfläche fürs gute alte Klett freuen.
Überblick
Zwölf verschiedene Algorithmen befinden sich in der blauen Zauberkiste und bieten eine reiche Auswahl von realistischem Raumhall bis zu überdimensionierten Ambient-Wolken. Selbstverständlich mit an Bord ist eine Shimmer Engine, die als heiliger Gral des subversiven Gitarrenspiels gilt. Für noch mehr Extravaganz gibt es auch experimentelle Maschinen wie Nonlinear und Magneto, doch der BigSky brilliert getreu seinem Namen vor allem, wenn es um traumhaften Flächenklang geht: Insbesondere die Cloud- und Bloom-Algorithmen überzeugen durch eine spannende, organische Textur in den Hallfahnen. Decay-Zeiten über 50 Sekunden dürften für die meisten Zwecke ausreichen, wer es noch länger braucht, kann mittels Hold-Funktion den Sound gänzlich am Abklingen hindern.
Alle zwölf Algorithmen werden über die sieben Potis in Echtzeit geregelt. Diese gelten für Decay, Pre-Delay, Mix, Tone und Mod. Die übrigen zwei lassen sich beliebig zuweisen, denn unter der Haube des BigSky befinden sich noch mehr Parameter, welche über den Value-Regler angewählt werden können. Dort sind für jede der Hallmaschinen Macro-Optionen wie die Einstellung der Hold-Funktion, Abklingverhalten beim Preset-Wechsel, Zuweisung eines Expression-Pedals oder die Benennung von Presets vorhanden.
Bei vielen, aber nicht allen Algorithmen des BigSky gibt es noch Low Cut und Boost, die anderen Einstellungsmöglichkeiten hängen stark vom ausgewählten Hall ab. So etwa der Tonabstand beim Shimmer oder die Formanden beim Choral Reverb – die Menütaucherei fällt jedoch gerade bei spontaner Bedienung negativ auf. Wer schnell von Sound zu Sound wechseln will, arbeitet am besten mit Presets. Dafür gibt’s im BigSky 300 Slots, welche in Dreiergruppen auf 100 Bänke verteilt sind.
Jeder der drei Fußschalter erlaubt dann Zugriff auf die drei Sounds der ausgewählten Bank. werden zwei Schalter zugleich gedrückt, kann ganz ohne Extra Footswitch durch die Bänke gescrollt werden – praktisch! Wie schon erwähnt, können die Presets benannt werden, was bei 300 Sounds für die nötige Orientierung sorgt.
Die Sounds
Bereits die Standard-Reverbs Room, Hall und Plate überzeugen durch einen glasklaren Klang, den es bis dato in keinem Pedal der Konkurrenz zu finden gab – höchstens beim Vorgänger Bluesky. Dieser punktete aber nicht mit realistischen Raum-Emulationen, sondern mit langen Decay-Zeiten und dem Shimmer Reverb. Erstmals frei von digitalen Artefakten oder hörbaren Pitchshifts legte der Bluesky eine orchestrale Wolke unter das Spiel und machte Ambient Guitar zur konjunkturförderndsten Online-Suchanfrage des Business.
Kein Wunder, dass das Shimmer Setting des BigSky mit seinen zusätzlichen Einstellungsmöglichkeiten erneut auf der ganzen Welt für Begierde gesorgt hat und Strymon wieder auf lange Decays setzte. Bloom, Cloud und Chorale sind die einschlägigsten Neuerungen des BigSky und schreien förmlich nach Ambient. Spätestens das Swell Setting entlarvt die Zielgruppe der Amerikaner.
Während Bloom und Cloud mit mehreren ineinandergreifenden Reverb-Tanks und Delay-Heads in der Feedbackschleife arbeiten, wird die Hallfahne beim Chorale Reverb gefiltert. Zur Auswahl stehen verschiedene Vokale, die Filterresonanz ist ebenfalls regelbar. Experimentell wird’s mit Spring, Magneto und Nonlinear. Letzterer beherbergt diverse Reverse Settings. Beim Spring Reverb kann gezielt Einfluss auf den Federanteil genommen oder Distortion zugeregelt werden und Magneto ist praktisch ein Multitap Delay.
Reflections ist der letzte Algorithmus im BigSky Arsenal und wie der Name sagt, ein super kurzer Raumhall à la Badezimmer. Alles in allem hat Strymon also eine gesunde Mischung eingebaut, wenn auch mit Hang zu langen washy Sounds. Wer es drauf anlegt, wird aber auch normalen Raumklang emulieren können, sei es mittels Reflections, Room oder Hall.
Die Knobs
Von der stabilen Verarbeitung der Potis und Encoder profitiert nicht nur die Langlebigkeit des BigSky, sondern auch das Spielgefühl. Alles sitzt superfest und die Potis besitzen einen angenehmen Regelwiderstand: Hoch genug, damit sich nichts von selbst verstellt und leicht genug, um auch auf Fingerspitzengefühl zu reagieren. Allerdings könnten die Endlos-Encoder eine spürbare Rasterung vertragen, da man sonst oft am gewünschten Setting vorbei dreht. Von den sieben Potis werden die Parameter Decay sowie Param 1 und 2 beim Regeln auf dem Display angezeigt.
Das ist besonders bei den Param-Potis wichtig, weil diese frei belegbar sind. Grundsätzlich wäre aber eine Anzeige aller Parameter wünschenswert. Pre-Delay und Mod reagieren beispielsweise von Reverb zu Reverb unterschiedlich und müssen immer nach Augenmaß eingestellt werden.
Hinzu kommt, dass die wenigsten Parameter des BigSky wirklich extrem eingestellt werden können: Abgesehen vom Decay, den man anfangs grundsätzlich zu lang justiert, hat Strymon die meisten anderen Regler irgendwie gezähmt. Beispielsweise steigert der Tone Knob auf Rechtsschlag zwar hörbar den Höhenanteil, es scheint jedoch, als könne er noch eine Vierteldrehung mehr vertragen, bis der Sound furchtbar wird.
Ähnlich fühlt sich die Einstellung des Mod-Anteils an, wo auf einem Poti gleich mehrere Parameter gemappt sind – zusätzliche Informationen via Display würden hier etwas Licht ins Dunkel bringen. Die seichte Regelbreite der Parameter ist hingegen Geschmackssache und nicht zuletzt Marketing-Strategie. Kaum ein weiteres Pedal erweckt den Eindruck, praktisch jeden Sound im Handumdrehen aufzuwerten, auch bei geringen Vorkenntnissen.
Fazit
Der BigSky klingt einfach schön. Man könnte sagen, er klingt so gut, dass es kaum möglich ist, ihm einen unmusikalischen Sound zu entlocken – völlig egal ob mit Gitarre, Synths, Drums, Vocals oder im AUXSend des DJ-Mixers. Das scheint besonders in Anbetracht der vielen Einstellungsmöglichkeiten erstaunlich und nicht zuletzt deshalb verdient der BigSky das Standing als Hall der absoluten Oberklasse. Für einige Musikschaffende gilt der perfekte Hallsound aus der Dose jedoch als Pay-to-Win-Methode. Echte Kenner hören den vermeintlich weichgespülten Sound sofort heraus und zweifeln an Geschmack und Integrität der Performenden. Der teilweise kaum wahrnehmbare Einfluss gewisser Parameter verstärkt den Eindruck, dass der BigSky eine Menge von selbst erledigt. Beinahe zensierend hat Strymon einige Einstellungsmöglichkeiten da abgeschnitten, wo es fies bzw. interessant wird.
Wer gerne die Intention des Herstellers „kaputtschraubt“, um seinen ganz eigenen Sound zu finden, wird sich am BigSky also die Zähne ausbeißen und greift lieber zum Eventide Space. Dieser hat noch mehr Potis auf der Oberfläche und arbeitet nach dem Motto „Knob per Function“, was ein direkteres Spielgefühl erzeugt. Djs und Live-Acts, die den BigSky eher als Send-Effekt im Mixer nutzen wollen, profitieren zwar von der relativ unkomplizierten Handhabung, würden aber wahrscheinlich auch mit dem kleineren Bluesky auskommen. Wer jedoch gerne mehr aber nicht zu viele Features zur Auswahl haben und beim Justieren schnell einen brauchbaren Sound erhalten will, liegt beim BigSky genau richtig.
Pro
Erstklassige Verarbeitung
Hochauflösender Sound
Kontra
Display könnte detaillierter sein
Eingeschränkte Regelwege
Preis:
498,00 EUR
Weitere Informationen gibt es auf der Website von Strymon Engineering.
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