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Test: Tracktion Waveform 11 Pro / Digital Audio Workstation

Test: Tracktion Waveform 11 Pro / Digital Audio Workstation

Tests. 26. September 2020 | 5,0 / 5,0

Geschrieben von:
Tobias Homburger

Der aktuelle DAW-Markt bietet Usern eine unglaublich große Auswahl. Da sind zum einen die Dinosaurier der Branche, die es seit Jahrzehnten gibt, zum anderen tauchen immer wieder Programme mit neuen Ansätzen auf wie zum Beispiel Bitwig oder auch Studio One. Irgendwo dazwischen ist wahrscheinlich Tracktion einzuordnen, denn erstmals tauchte diese DAW bereits 2002 auf, verschwand dann aber ein paar Jahre später wieder von der Bildfläche. Erst 2013 startete der ursprüngliche Programmierer Julian Storer einen erneuten Versuch, seine Software zu vermarkten. Seitdem wurde Tracktion, das jetzt Waveform heißt, vielen Änderungen und Verbesserungen unterworfen. Reicht das, um ganz oben mitzuspielen?

Die verschiedene Versionen

Waveform 11 gibt es in drei verschiedenen Versionen: Free, OEM und Pro. Die Freeware-Version bietet neben vielen Funktionen einen Soft-Synth und einen Drum-Sampler. Für Einsteiger und erste Gehversuche im Bereich Musikproduktion dürfte das absolut ausreichend sein. Die OEM-Version erhält man beim Kauf verschiedener Hardware-Produkte, sie beinhaltet dann bereits verschiedene Kompositions-Tools, den modularen Mixer und Collective, eine Mischung aus Sampler und Synthesizer. Die Pro-Version gibt es in drei verschiedenen Paketen: Basic, Standard und Extreme. Je größer das Paket, desto mehr Plugins und Sounds stehen dem User zur Verfügung.

Workflow, Ausstattung und Bedienoberfläche

Was den Workflow betrifft, funktioniert Waveform im Prinzip genau wie jede andere timeline-basierte DAW. Auf der X-Achse befindet sich die Zeit bzw. die Takte, auf der Y-Achse die verschiedenen Spuren und dazwischen werden die Events untergebracht. Der Cursor spielt immer von rechts nach links ab, genau wie man auch notierte Musik liest. Alle Events, seien es Audio-, MIDI- oder Automationsdaten, die der Cursor beim Abspielen passiert, werden hörbar. Natürlich gibt es kleinere Workflow-Unterschiede zu anderen DAWs, aber als Wechsler gewöhnt man sich sicherlich recht schnell um.

Auch funktional orientiert sich Waveform an der Konkurrenz. Audio- und MIDI-Signale können nicht nur wiedergegeben, sondern natürlich auch aufgenommen werden. Effekte, Sampler und Instrumente sind ebenfalls mit an Bord und Drittanbieter-Plugins sind freigeschaltet, sogar schon in der Freeware-Version. Es gibt einen Chord-Track, der automatisch alle ihm zugeordneten Elemente so verändert, dass diese zum programmierten Akkord passen.

Wer das lieber von Hand erledigt, nutzt einfach die Piano-Roll-Ansicht. Mit dem Groove Doctor können MIDI- und Audio-Files analysiert werden, um andere Events und Dateien nach den gleichen Parametern quantisieren zu können. Und natürlich bietet Waveform einen Mixer, in dem alle Signale zusammenlaufen und gemischt werden können.

Optisch allerdings geht das Programm irgendwie einen eigenen Weg. Grundsätzlich gibt es beim GUI von Waveform erst mal keine Überraschungen, Color-Coding ermöglicht zudem das Arbeiten mit verschiedenen Farben. Und trotzdem ist die Optik irgendwie gewöhnungsbedürftig. Vielleicht sind es die verwendete Schrift oder bestimmte grafische Elemente, aber ich werde damit einfach nicht richtig warm. Da die Geschmäcker bekanntlich aber verschieden sind, muss das jeder User für sich selbst bewerten.

Tracktion Waveform 11 GUI.
Das GUI von Tracktion wirkt vertraut und ungewohnt zugleich.

Neue Funktionen ab Version 11

Beim Major-Update zu Waveform 11 ist zum Beispiel der Arranger-Track dazugekommen. Damit lässt sich ein Arrangement in verschiedene Sektionen einteilen, ähnlich wie das mit Markern funktioniert. In der Arranger-Leiste muss für einen Bereich zuerst ein sogenannter Clip erstellt werden. Soll dann diese Sektion an eine andere Stelle verschoben werden, reicht es, wenn man den zugehörigen Clip verschiebt. Alle Events, sei es Audio oder MIDI, folgen dann automatisch. Das funktioniert auch beim Löschen und Umbenennen.

Hat man ein größeres Arrangement vor sich, aber nur einen kleinen Bildschirm, ist es manchmal nicht leicht, den Überblick zu behalten. Hier kommt dann Edit Overview ins Spiel. Dabei handelt es sich um eine Art Miniaturansicht des Arrangements, die in der zugehörigen Leiste anzeigt, wo im Gesamtarrangement man sich gerade befindet. Außerdem kann damit an einen entfernten Punkt des Songs gesprungen werden, ohne endlos das Mausrad bemühen zu müssen – das spart Zeit und schont den Zeigefinger.

Hinzu kommt, dass es nun möglich ist, das GUI individuell zu gestalten. Der Grafik-Manager öffnet sich, sobald man auf das Augensymbol am oberen rechten Rand klickt. Es handelt sich um eine Art Miniaturansicht der gesamten Oberfläche. Von dort kann man dann wählen, welche Fenster ein- bzw. ausgeblendet werden sollen. Außerdem lassen sich die meisten Fenster nun entkoppeln und so auf weitere Bildschirme verschieben. Die Zeiten, in denen man beim Produzieren ständig den Mixer ein- und ausblenden musste, sind bei Waveform nun also vorbei.

Die neue Quick Action Bar fördert das schnelle Arbeiten. Es handelt sich um eine Leiste, in der Shortcuts und Macros hinterlegt werden können. Wer also immer wieder die gleichen Arbeitsschritte ausführt, muss sich nicht immer durch Menüs kämpfen. Mehrere Arbeitsschritte können in einem einzigen Macro-Befehl zusammengefasst und in der Quick Action Bar angelegt werden. Name und Farbe sind bei jedem Befehl natürlich frei wählbar. Und es lassen sich parallel auch mehrere Action Bars anlegen, zum Beispiel eine, die nur Audio-Bearbeitungsschritte enthält, eine zweite dann nur mit MIDI-Befehlen und so weiter.

Tracktion Waveform 11 Quick Action Bar.
Mit der Quick Action Bar können auch komplexe Arbeitsschritte schnell und unkompliziert ausgeführt werden.

Ebenfalls neu ist in Version 11, dass sich jetzt auch Audio-Clips den Vorgaben des Chord Tracks beugen. Soll in einer Chord-Progression also eine Harmonie geändert werden, nachdem der/die Sänger/in ein paar Melodie-Ideen festgehalten hat, ist das jetzt kein Problem mehr. Waveform ändert automatisch auch Audiomaterial so ab, dass es zu den im Chord Track gesetzten Harmonien passt.
Neue Tools

Es gibt auch einige neue Tools in Waveform 11, allen voran die neuen MIDI-Tools. Der MIDI-Monitor kann auf einzelne Spuren oder die Master-Spur gelegt werden, zeigt jegliche MIDI-Aktivität an und listet diese chronologisch auf. Mit dem MIDI-Filter lassen sich bestimmte Informationen ausblenden oder auf verschiedene Klangerzeuger verteilen. Das ist zum Beispiel bei einem Arpeggio-Sound interessant, der so auf zwei Instrumente aufgeteilt werden kann. Sehr interessant ist auch Chord Companion, dieses Tool unterstützt Musiker/innen, die sich nicht so gut mit Akkorden und Harmonien auskennen, dabei, Chord-Progressions zu komponieren.

Das Tool beherrscht wirklich jeden denkbaren Akkord, somit muss nichts eingespielt werden. Die 16 Pads lassen sich mit den verschiedenen Harmonien belegen und können dann nach Wunsch darüber getriggert und zu einem VST-Instrument geschickt werden. Dieses Tool ist darüber hinaus aber auch durchaus für ausgebildete Musiker/innen interessant, denn damit lassen sich Akkordfolgen kreieren, auf die man sonst nie von sich aus gekommen wäre.

Chord Companion.
Chord Companion ist ein interessantes Kompositions-Tool.

Waveform 11 beinhaltet auch einige neue Plugins und kommt nun insgesamt auf die sensationelle Zahl von 186 Effekten, Tools und Instrumenten. Die Effekte basieren auf den Effekten von Air Windows, sind in der sogenannten Artisan Collection zusammengefasst und in die Kategorien Delay, Dither, Distortion, Dynamics, Emulation, EQ, Filter, Imaging, Modulation, Reverb und Utility eingeteilt. Natürlich hat man es dabei nicht mit der Qualität eines Waves- oder UAD-Bundles zu tun, aber mit den Effekten kann man gerade als Einsteiger durchaus vernünftig arbeiten.

Ebenfalls interessant ist das Plugin Sandboxing. Dadurch kann ein abgestürztes Plugin isoliert werden, damit es in der Folge nicht zu einem Absturz der ganzen DAW führt. Ein Neustart nur dieses Plugins ist ebenfalls möglich, hilft auch das nicht, kann der Störenfried unkompliziert ersetzt werden. Wer nicht auf einen Effekt verzichten kann oder möchte, der in der Praxis immer wieder Probleme macht, wird diese Funktion absolut lieben.

Sounds und Instrumente

Was Sounds und Instrumente anbelangt, schwächelt Waveform Pro Basic etwas. Loops sind nur eine Handvoll enthalten. Wer mehr will, muss zusätzlich Loop-Packs oder gleich ein größeres Software-Paket kaufen. Die beiden Synthesizer (4OSC und Subtractive) besitzen jeweils vier Oszillatoren und bieten damit genug klangliche Möglichkeiten, vorinstallierte Presets gibt es allerdings nicht viele und diese klingen eher durchschnittlich. Ein ähnliches Bild findet sich bei den Drum-Samplern (Drum Sampler und Micro Drum Sampler), hier gibt es sogar nur zwei implementierte Drum-Kits.

Auch hier muss jeder User einzeln bewerten, ob ihn/sie das stört oder nicht. Wer selten mit Loops und dafür mit eigenen Drum-Samples und Drittanbieter-Plugins arbeitet, stört sich an der etwas dünnen Sound-Ausstattung von Waveform 11 Pro Basic wahrscheinlich eher weniger.

Neue Funktionen ab Version 11.5

Das inzwischen erschienene Update 11.5 beinhaltete weitere Features und Neuerungen, allen voran eine neue Audio-Engine, oder aber der Welcome-Screen, über den sich Arrangements und Dateien besser verwalten lassen, neue Beareitungsfunktionen wie Ripple Edit oder Range Selection und auch der sogenannte Pattern Generator, der künstliche Intelligenz nutzt, um Akkorde, Bass-Lines und Melodien zu generieren.

Fazit

Waveform 11 ist eine vollwertige DAW mit vielen Funktionen und Möglichkeiten. Das GUI ist größtenteils individualisierbar und auch übersichtlich. Trotzdem wird vielleicht nicht jeder damit glücklich, besonders wenn man an die Optik anderer DAWs gewöhnt ist. Beim Funktionsumfang der Software gibt es wenig zu beanstanden, Sounds und Instrumente sind allerdings nicht so viele dabei, dafür gibt es Effekte en masse. Während sich viele User der DAW-Dinos oft darüber beschweren, dass auf Verbesserungen teilweise sehr lange gewartet werden muss, lässt sich Waveform ungeniert von der kompletten Konkurrenz inspirieren, wie man zum Beispiel an der Quick Action Bar, dem Plugin Sandboxing oder dem Chord Companion sieht. Das ist für die User grundsätzlich positiv, kann aber auch dazu führen, dass die Identität des Programms verloren geht. Manchmal ist es dann eben doch besser, sich auf eine bestimmte Art von User zu spezialisieren, so wie das Pro Tools oder Ableton tun. Für 199 US-Dollar geht das Gesamtpaket Waveform 11 Pro in Ordnung, die meisten Nutzer einer professionellen DAW greifen sowieso eher selten auf fertige Sounds oder interne Instrumente und Effekte zurück. Wer auf der Suche nach einer neuen DAW ist, kann sich Waveform 11 Pro guten Gewissens anschauen.

Pro

Vollwertige DAW
Nn Version 11 viele neue Features
Niedriger Grundpreis

Kontra

Optik bleibt gewöhnungsbedürftig
Kein aktuelles Handbuch verfügbar
Wenige Sounds und Loops

Preis:

Verschiedene

Weitere Informationen gibt es auf der Website von Waveform.

Veröffentlicht in Tests und getaggt mit DAW , Produktion , Test , Trackton , Waveform 11

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