Test: Volca Modular

Test: Volca Modular

Tests. 7. April 2019 | 4,5 / 5,0

Geschrieben von:
Niko Giortsios

Mit der Ankündigung des Volca Modular und Volca Drum Anfang des Jahres 2019 hat Korg für Aufsehen gesorgt. Passend zum derzeitigen Eurorack-Trend sollen sich den Nutzern durch zahlreiche Patch-Verbindungen quasi unbegrenzte Möglichkeiten zur kreativen Klangerzeugung bieten. Dabei betreten die Japaner mit dem sogenannten „West Coast-Style“ einen ungewohnten Weg jenseits der herkömmlichen subtraktiven Synthese. Geht das Konzept eines modularen Synthesizers für die Westentasche wirklich auf? Der Test wird es zeigen.

Technische Daten und Anschlüsse:

Dem Volca Kenner bietet sich beim Auspacken ein vertrauter Anblick: Mit seinen 193 x 115 x 39 mm ist der Modular angenehm kompakt. An Anschlüssen finden sich neben einem 9-V-Netzteil-Anschluss (wobei das Gerät auch mit sechs im Lieferumfang enthaltenen Batterien betrieben werden kann) ein CV-Eingang, eine Sync In- und Out-Buchse zur Synchronisierung mit anderen Volcas sowie ein Stereo-Out im Miniklinkenformat. Steckt kein Kabel im Audioausgang, tönt der Modular aus einem kleinen eingebauten Lautsprecher. Perfekt, um mal eben zwischendurch rumzuspielen oder den Mitreisenden im Zug auf die Nerven zu gehen, aber große Klangoffenbarungen darf man dabei natürlich nicht erwarten.

Soweit also alles beim Alten. Ganz neu hingegen sind die 50 Patchpunkte, die dem Modular seinen Namen geben und zum Experimentieren einladen. Hierfür sind im Lieferumfang 20 kleine Kabel enthalten, wie sie auch in elektronischen Steckbrettern (Breadboards) verwendet werden. Der Begriff „Drähte“ wäre hier vielleicht besser gewählt, denn die bunten Strippen machen nicht gerade den stabilsten Eindruck. Hinzu kommt, dass die meisten beim Verlust der Leitungen wohl nicht mal eben passenden Ersatz parat haben, wie es zum Beispiel bei 3,5 mm Klinkenkabeln der Fall wäre. Für die wäre im Volca allerdings auch beim besten Willen nicht genug Platz vorhanden.

Bei dem Korg handelt es sich übrigens um einen semi-modularen Synthesizer. Das heißt, dass das Gerät intern vorverdrahtet ist und auch ohne gesteckte Verbindungen Klänge erzeugt. Somit kann man sich als Neuling erst einmal mit dem grundlegenden Klang vertraut machen, bevor man sich in kompliziertere Gefilde wagt. Des Weiteren kommt der Modular mit einem kleinen Sheet, auf dem die Funktionen der einzelnen Module und ein paar grundlegende Patches aufgedruckt sind. Auch die enthaltene Bedienungsanleitung mit weiteren Sounds zum Nachbasteln erleichtert den Einstieg in die Modular Welt.

Der Volca Modular von Korg.

West Coast versus East Coast:

Guckt man sich einmal die einzelnen Module des Volca an, begegnen einem schnell Begriffe, die man so gar nicht von klassischen Synthesizern kennt. Das liegt an dem zugrunde liegenden „West Coast“-Stil. Während „East Coast“-Systeme (wie zum Beispiel von Moog) in der Regel mit einem obertonreichen Signal (VCO) beginnen und dieses durch den Einsatz von spannungsgesteuerten Filtern (VCF) und Verstärkern (VCA) zu einem musikalischen Klang formen, sind die einzelnen Module hier bewusst eher vage bezeichnet und lassen sich freier konfigurieren. So finden sich etwa keine LFOs oder Filter im herkömmlichen Sinn, diese lassen sich aber durch ein wenig Patcharbeit mehr oder weniger nachbilden.

Als bekanntester Vertreter dieser Syntheseart gilt wohl Don Buchla, der ungefähr zur gleichen Zeit wie Bob Moog begonnen hat, elektronische Instrumente herzustellen, dabei jedoch eine wesentlich experimentellere Philosophie verfolgte. Anstatt natürliche Klänge nachzubilden, sollten seine Synthesizer komplett neue und vorher unerhörte Klänge produzieren, was sich vor allem in perkussiven Sounds und obertonreichen Texturen ausdrückt.

Der Volca Modular von Korg.

Die Module: Source

Am Anfang jedes Patches steht das Source-Modul, hierbei handelt es sich um zwei Dreieck-Oszillatoren, wobei der erste vom zweiten frequenzmoduliert wird und somit obertonreiche Wellenformen erzeugt. Das Prinzip ist vergleichbar mit den Operatoren in der FM-Synthese, wie man sie zum Beispiel vom Yamaha DX7 kennt. Gesteuert wird dies durch einen Ratio-Regler, der die Tonhöhe von Oszillator 2 (dem Modulator) im Verhältnis zu Oszillator 1 (dem Klangerzeuger) einstellt und Mod, der die Intensität der Modulation festlegt. Hinzu kommt noch ein Wavefolder, mit dem sich die Schwingungsform invertieren lässt, was noch mehr Obertöne nach sich zieht. Die daraus resultierenden Klänge haben immer etwas Metallisches und können bei zu hohen Einstellungen schnell mal atonal werden. Wer also auf musikalische Ergebnisse aus ist, sollte gerade beim Wavefolding ein ruhiges Händchen beweisen. Und auch bei der Ratio braucht es etwas Geduld, um mit dem kleinen Poti genaue Einstellungen vorzunehmen.

Die Module: Low Pass Gate

Als Nächstes geht es zum Low Pass Gate. Hierbei handelt es sich um eine Kombination aus Tiefpassfilter (LPF) und spannungsgesteuertem Verstärker (VCA). Je lauter der eingehende Pegel ist, desto mehr Höhenanteile werden durchgelassen, während geringere Lautstärken mit einem dumpferen Klang einhergehen. Eingestellt wird dies mithilfe des Cutoff-Reglers. Das klingt erst einmal sehr ungewohnt, ist aber wieder in der additiven Natur der West Coast Synthese begründet: Das Obertonverhalten wird grundsätzlich eher am „Anfang“ (also bei der Source) bestimmt, nicht beim Filter. Der Volca besitzt gleich zwei dieser Low Pass Gates, von denen eins fest verdrahtet ist, während das zweite zum freien Patchen zur Verfügung steht. Hier lässt sich zudem ein zweites Audiosignal hinzufügen.

Unter dem Begriff Functions verstecken sich beim Modular zwei verschiedene Hüllkurvengeneratoren, die zur Modulation verschiedener Parameter genutzt werden können. Bei dem ersten handelt es sich um eine Attack-Hold-Release-Hüllkurve (AHD), die ohne eingesteckte Patchkabel auf das erste Low Pass Gate einwirkt und somit die Funktion eines herkömmlichen Amp und Filter Envelopes mit einstellbarer Attack- und Release-Zeit übernimmt. Der zweite ist ein sogenannter Rise-Fall-Generator mit den Parametern Shape (Balance zwischen Anstiegs- und Abfallzeit) und Time (generelle Länge des Zyklus). Dieser lässt sich mithilfe der Steckverbindungen loopen und kommt dadurch der Funktion eines LFOs nahe. Beide Functions besitzen einen positiven sowie einen negativen Ausgang, sie können also auch invertiert genutzt werden.

Woggle kennt man aus anderen Synthesizern als Sample & Hold. Dieses Modul nutzt intern rosa Rauschen als Kontrollspannung, wodurch bei einer Modulation der Tonhöhe die bekannten „R2-D2“-Zwitschersounds entstehen. Es lassen sich aber auch andere CV-Quellen als Sample-Eingang nutzen, was schnell zu unvorhergesehenen Ergebnissen führt. Dazu gibt es noch einen Smooth-Ausgang. Hierbei verlaufen die Übergänge sanft und springen nicht abrupt von einem Wert auf den nächsten.

Die Module: Utility/Split/Space Out

Die Utility-Abteilung ist unverzichtbar, um CV- sowie Audio-Signale zu kombinieren und komplexe Klänge zu erzeugen. Im Grunde handelt es sich um drei Eingänge (a, b, c) sowie zwei Ausgänge, in denen die Eingangssignale auf unterschiedliche Weise vermischt und abgedämpft werden. Je nach Belegung der Patchverbindungen kann das Modul zum Beispiel als Mixer, Attenuator oder Inverter genutzt werden. Das Prinzip klingt auf dem Papier etwas mathematisch und kompliziert, in der Praxis hat man das Ganze aber nach ein paar Experimenten relativ schnell durchschaut. Darüber hinaus wurde dem Volca eine simplere Split-Sektion spendiert, mit der sich ein Signal auf mehrere Ausgänge routen lässt, und die umgekehrt ebenfalls als Mixer genutzt werden kann.

Der Volca Modular von Korg.

Am Ende des Signalwegs befindet sich das Space Out Modul. Hier kann man das Audiosignal abgreifen und für weitere Klangverformungen wieder zurück ins Gerät schicken. Außerdem ist noch ein digitales Reverb mit an Bord, das entfernt an einen Federhall erinnert und den Klängen noch das nötige Etwas verleiht.

Der Sequenzer

Wie schon seinen älteren Geschwistern wurde auch dem Modular ein 16-Step-Sequenzer auf die Platine gepackt. Dieser wartet allerdings mit einigen speziellen Funktionen auf, die ihn von seinen Vorgängern unterscheiden. Da wäre zum Beispiel die Möglichkeit, jede einzelne Note um bis zu 100 Cent nach oben oder unten zu stimmen und somit mikrotonale Melodien zu erzeugen. Nicht weniger unkonventionell ist der stochastische Modus, in dem per Zufall entschieden wird, ob der Sequenzer den nächsten, übernächsten, letzten oder gleichen Step wie den vorherigen spielt. Mithilfe der Scale-Funktion lässt sich die kleine Tastatur des Korgs in verschiedenen Skalen spielen. Dazu gehören neben den üblichen Verdächtigen (Dur, Moll, chromatisch …) so exotische Tonarten wie Phrygisch, Japanisch oder auch eine Ganztonskala.

Der jeweilige Grundton lässt sich ebenfalls frei einstellen. Und das ist auch ziemlich wichtig, denn anders als zum Beispiel der Volca Keys besitzt der Modular leider keinen MIDI-Eingang. Zwar lässt sich das Gerät (ziemlich umständlich und mithilfe von Adaptern) über die CV-Buchse ansteuern, wenn einem aber das passende Equipment dafür fehlt, muss man sich mit der altbekannten Touch-Klaviatur begnügen. Dafür ist das Arbeiten mit dem Sequenzer Volca-typisch ein Genuss. Mit der Möglichkeit, Parameterveränderungen per Motion-Sequenz aufzunehmen, kommen schnell lebhafte Patterns zustande, die sich auf den 16 verfügbaren Speicherplätzen festhalten lassen. Allerdings ist es bauartbedingt natürlich nicht möglich, die gesteckten Patchverbindungen abzuspeichern.

Abschließend befindet sich als Schnittstelle zwischen dem Sequenzer und der Klangerzeugung noch ein Modul mit dem sinnigen Namen Sequences. Hier wird zum einen das interne Tempo eingestellt (und mithilfe eines Patch-Eingangs sogar moduliert), zum anderen finden sich drei verschiedene Clock-Divider-Ausgänge. Damit lassen sich wunderbar unvorhersehbare Variationen und Polyrhythmen erzeugen.

Fazit

Der Modular sorgt leider ein wenig für gemischte Gefühle. Auf der einen Seite sind die Ambitionen seitens Korg beachtlich: Der Funktionsumfang ist für ein Gerät dieser Größe schon enorm, immerhin handelt es sich hier um einen (semi-)modularen Analogsynthesizer, der gerade mal etwas größer als ein übliches Smartphone daherkommt. Auch sehr schön, dass man mit der additiven West Coast-Synthese einen (zumindest für einen so großen Hersteller) frischen Ansatz verfolgt und nicht wieder die x-te Tischhupe im bekannten VCO-VCF-VCA-Format rausbringt. Auf der anderen Seite lässt die Umsetzung teilweise etwas zu wünschen übrig. Während sich die Haptik mit den kleinen Drehreglern bei den anderen Volcas noch verschmerzen lässt, wirkt das Ganze beim Modular aufgrund der Kabellage noch mal deutlich hakeliger. Gerade bei komplexeren Patches mit vielen Verbindungen kommt man kaum noch an die Potis heran. Das fällt natürlich bei so einem Gerät besonders auf, wo das Herumschrauben einen großen Teil des Reizes ausmacht. Insofern wird die kleine Größe dem Korg eher zum Verhängnis.

Was den Klang angeht, der ist bei so einer Kiste wahrscheinlich noch mehr Geschmackssache als bei einem üblichen subtraktiven Synthesizer. Es macht zweifellos Spaß, mit dem Volca verrückte Sounds und Effekte zu erzeugen und vor allem in Verbindung mit dem eingebauten Hall fühlt man sich direkt an die Klangexperimente der 60er Jahre à la „BBC Radiophonic Workshop“ erinnert. Zu moderner Tanzmusik inspirieren die Klänge allerdings eher weniger. Hier muss jede/r für sich selbst entscheiden, ob ihm/ihr diese Ästhetik gefällt. Zum Schluss die Frage, für wen der Volca Modular geeignet ist. Eingefleischte Eurorackexperten und solche, die es werden wollen, sollten sich mangels Konnektivität eher woanders umschauen. Wer sich jedoch für quirlige, experimentelle Sounds interessiert und nicht darauf aus ist, ein riesiges Modular-Setup aufzubauen, sollte den Volca einmal ins Auge fassen und bei Gelegenheit anspielen.

Pro

Frisches Konzept
Einfach zu bedienender Sequenzer mit interessanten Funktionen
Experimenteller Sound…

Kontra

…den man mögen muss
Schlechte Bedienbarkeit aufgrund der geringen Größe
Unzureichende/umständliche Konnektivität zu anderen Geräten

Preis:

179,00 EUR

Weitere Informationen gibt es auf der Website von Korg.

Veröffentlicht in Tests und getaggt mit korg , Producing , semimodular , Synthesizer , Volca Modular

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