Seit es Platten gibt, gibt es DJs. Und seitdem entwickelt sich auch die Arbeitsweise, das, was man gemeinhin DJing nennt. Oder Plattenauflegen. Aber das war gestern.
Tonträger gibt es seit dem 18. Jahrhundert. Was einst die Stiftrolle aus Holz, Metal oder Wachs war, wurde gegen Ende des 19.Jahrhunderts aus einer Masse gepresst, deren Grundsubstanz aus den Ausscheidungen der Lackschildlaus gewonnen wurde. Emil Berliner hatte die Schellackplatte erfunden.
Abspielgerät war das, ebenfalls von Berliner patentierte, Grammophon. Der Vorteil der Schellackplatte lag, gegenüber den Vorgängern, im besseren Klang sowie in der Möglichkeit der Reproduzierbarkeit. Nun konnte ein Tonträger in Serie gefertigt werden.
Lange Jahre tat sich wenig. Zwar wurde das teure Naturprodukt Schellack schon um 1948 vom preiswerteren, synthetischen Vinyl abgelöst, jedoch waren DJs, in unserem heutigen Sinne, nicht in Sicht. Vielmehr verstand man darunter, seit Beginn des Zeitalters der Rundfunkübertragung (1906), Radio-Discjockeys.
Ende der Sechziger begannen Tanzlokale, aus Kostengründen, damit, die aufspielenden Tanzorchester durch Musik von Platte zu ersetzen. Technics brachte bald, mit dem legendären 1200er, ein pitchbares Abspielgerät auf den Markt und auch die ersten DJ-Mixer hielten Einzug. Aus der Tanzdiele wurde die Diskothek, die Clubära beginnt. Damit gab es auch schon den ersten Glaubenskrieg. Die bisher aufspielenden Musiker mochten die DJs, verständlicherweise, gar nicht.
Der neue Typus des DJ setzte seine Tonträger kreativ ein, es gab erste, spezielle Clubmixe. Kurz … Revolution Now! Die Entwicklung der (nun meist elektronischen) Tanzmusik ging Schlag um Schlag weiter: House, Hip Hop, Techno, Drum`n Bass, um nur einige Richtungen zu nennen. Was blieb war das Medium Vinyl.
Mal abgesehen von der CD, mit deren Markteinführung dem schwarzen Gold ein schnelles Ableben vorausgesagt wurde, gab es keine Konkurrenz für Vinyl am DJ-Arbeitsplatz. Wer was auf sich hielt hatte Schallplatten. Punkt.
So dachte ich auch. CD kam mir nicht auf den Teller, das war sowas von unkrass. Ende der Neunziger kam mein Kumpel Jörn mit der verwegenen Idee die, sich immer mehr verbreitenden MP3s, vom Rechner abzuspielen und mit einer Schallplatte zu steuern. Ich stiftete für Testzwecke einen alten Plattenspieler, auf den kurz zuvor ein Notstromgerät gefallen war und das war`s dann. Zumindest bei Jörn. In Holland legten etwa zeitgleich die Freaks von N2IT den Grundstein für das, was später von Stanton übernommen und mit Native als Final Scratch etabliert wurde. Das Zeitalter der digitalen Vinylsysteme hatte begonnen.
Hier vereinen sich zwei Welten, klassisches Handling trifft auf die Vorteile digitaler Medien. Alternativen zu Final Scratch ließen nicht lange auf sich warten. Serato, Digiscratch, Mixvibes, Torq - Herbst, Pilze, Boden. Wurde man vor ein paar Jahren von Kollegen mit seinem DJ-System noch skeptisch, neugierig oder als Exot beäugt, kämpft man heute um einen Platz für seinen Laptop. So was nennt sich wohl Siegeszug. Begünstigt wird dieser durch immer preiswertere und leistungsfähigere Laptops, sowie durch eine, sich stetig mehr durchsetzende, Download-Kultur.
Womit der Blick Richtung Zukunft geht. Die Kids wachsen in einer Welt auf, in der es nur einen Gott gibt. Sein Name ist Handy. Gott kann viel: Fotos schießen, Videos drehen, Nachrichten verschicken, im Netz surfen, natürlich telefonieren und … Musik abspielen. Aktuelle Geräte sind weit mehr als Telefone. Das in Kürze in Deutschland erhältliche iPhone ist per Selbstdefinition auch ein iPod, also ein MP3 Player. Nix neues soweit, klar. Aber aus dem Hype wird Mode und daraus Standart. Die Musikindustrie reagiert schon, neben Downloadplattformen sind wohl kostenlose Flatrates geplant, die vom Gerätehersteller bezahlt werden sollen. Musik jederzeit und überall. Auf Trend geschneiderte DJ-Produkte wie Numarks iDJ, bei dem ein Mixer bzw. Controller einen iPod steuert gibt es schon. Die Boulevardmedien vermeldeten auch DJs, die nur mit Handy „auflegen“. Lächerlich … noch, aber wer eins und eins zusammenzählt, wird feststellen: die Revolution wird zwar nicht im Fernsehen übertragen, findet aber dennoch statt. Der DJ von morgen wird sein Telefon in die Dockingstation stecken und damit gestreamte Musik abspielen. iPhone Disco, ick hör`dir trapsen.
Natürlich stützt ein „echter DJ“ die Arme in die Seite, schüttelt den Kopf und ist dagegen. Wie es schon die Musiker der Tanzorchester waren. Parallele erkannt? Was ist jemanden Musik auf einer Vinyl-Single wert, wenn es die auch in kostenloser Flatrate gibt? Bestimmt nicht 10 Euro. Da fehlt jegliche emotionale Bindung. Die Musikindustrie hat verrissen und die Künstler setzen auf Livekonzerte. Natürlich wird es immer Leute geben, die authentisch sein wollen, anfänglich viele, am Ende eine Handvoll. So wie der ehemalige Metaldiscogott Hopke, der heute einer der letzten Schellack-DJs dieses Landes ist.
Was kommt noch dazu? Rohöl wird täglich teurer, folglich dürfte Vinyl nicht im Preis fallen. Die, sich ständig ausdünnende, Musikindustrie bemustert fast nur noch mit MP3s. Im Kleinen ebenso, wie im Großen. Major vs. Indie war gestern, vor Gott sind alle gleich. Und Gott ist ein Handy.
Ich sehe die Entwicklung gelassen, Qualität und Originalität geht mir vor Grahlshütertum. Wenn alle DJs die gleiche Flatrate streamen, muss es eben das Konzept richten. Das Werkzeug ist dabei zweitrangig, Vinyl und Turntable oder MP3 im iPhone, die Leute wollen unterhalten werden. Am Abspielmedium wird die DJ-Kultur keinen Schaden nehmen. Das ist die gute Nachricht.
Allerdings ist im allgemeinen Musikgeschmack eine deutliche Verflachung zu beobachten. Zum einen kommt es selbst in „echten“ Clubs vor, dass sich ein "Kollege" uniforme Grütze wünscht. Ich nenne das Jambanisierung. Zum anderen, weit schlimmer, musste ein DJ dereinst Platten sammeln, sich zwangsläufig mit Musik befassen. Dadurch bildete sich erst ein eigener Geschmack und dann eine eigene Handschrift. Der DJ war unique und konnte etwas weitergeben. Für die Zukunft sehe ich das nicht mehr. Da werden Playlisten kopiert oder gleich MP3 Sammlungen getauscht. Da ja alles überall und immer erhältlich ist, wird auch alles gleicher. Verödung, Verblödung und purer Showfaktor. Hohe DJ-Gagen für junge, blonde Damen an den Decks. Wie einst bei Frank Farians Boney M sollen die gut aussehen, ein Produkt für die breite Masse. Darf ja auch sein, denn es gibt ein Leben jenseits der Lifestyle- und Trendgazetten. Da sammeln Leute vierzig Jahre alte Soulsingles, löten sich selbst PAs für einen Street-Dance zurecht oder bereichern ihre Performance mit Live-Instrumenten.
Ein Ende der DJ-Kultur scheint also nicht zu befürchten. Die Tools und damit die kreativen Möglichkeiten werden vielfältiger und erschwinglicher, die Grenze zum Producing wird überschritten, das dürfte der von mir verorteten musikalischen Verflachung entgegen wirken. Die eigentlich an den Begriff Deejay gekoppelte Tätigkeit des „Platten auflegen“ wird in den Hintergrund treten. Erste MP3DJ Konsolen stellen heute in den Kinderzimmern die Weichen für eine neue Herangehensweise. Man arbeitet mit Musik über Controller, das Dogma Plattenspieler fällt weg. Sofern kreatives Potential gegeben ist, wird sich daraus etwas entwickeln. Vielleicht ein CJ, aber nennen wir es einfach wie bisher ... DJ. Und DJ ist Pop, mittlerweile bestimmt zweithäufigster Berufswunsch, nach Kosmonaut. Aber nur wenige werden es schaffen. Der große Rest hatte wenigstens ein sinnvolles Hobby.
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