Trance, Tempo & Euphorie: Wieso am Dancefloor gerade alle Dämme brechen
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Trance, Tempo & Euphorie: Wieso am Dancefloor gerade alle Dämme brechen

Features. 30. September 2022 | 5,0 / 5,0

Geschrieben von:
Christoph Benkeser

In der Ukraine herrscht seit mehr als einem halben Jahr Krieg. Teile Europas ächzten wochenlang unter nie dagewesener Hitze. Die Inflationsspirale durchlöchert das eigene Konto, die Corona-Pandemie wacht langsam aus der Sommerfrische auf. Und der Ausblick auf Gaspreise und Winter verspricht kalte Wohnungen. Man muss schon eine Menge Optimismus in sich tragen, um dieser Tage nicht mit Zweifel in die Zukunft zu blicken.

Während die Welt vor unseren Augen zerfällt, feiern wir. Härter, schneller und euphorischer wie lange nicht. Auf den Dancefloors herrscht Aufbruchstimmung. Trance ballert aus dem Technoclub, als wäre es 2001. Die Leute eskalieren für den nächsten Break, Hands-up-Momente und Umarmungen bei 140 Beats in der Minute. Wer auf elektronische Musikfestivals fährt, stampft über Melodien, für die sich Ben Klock vor zwei Jahren noch beide Ohren abgesäbelt hätte. Wer sich in Klubnächte verirrt, blickt in grinsende Gesichter. Sogar wer zu Hause bleibt und sich die Streams von ARTE oder Boiler Room reinzieht, merkt: Irgendwas hängt im Trockeneisnebel. Ein Vibe, eine Stimmung, das Gefühl, dass Dämme brechen und wir nach zwei Jahren Krisenmodus endlich in uneingeschränktem Hedonismus aufgehen – zumindest in der Nacht.

Die Leute haben Bock auf Ekstase. Heftiger als sonst – selbst wenn alles an der beschissenen Gesamtsituation dagegen spricht. Die Langstrecke hat aktuell ausgedient. Monoton auf die Basstrommel prügeln, bis man sich im Loop verliert? Ist nicht. Sets zersprengen sich in kurzweilige Momente und Moods, als hätte jemand den Spotify-Algorithmus mit Speed gefüttert. Die Bravo-Hits-Ästhetik der 2000er funkelt von Covers und Flyern. Manchmal könnte man glauben, die Erfahrungen der letzten Monate haben müde Techno-Ohren für schöne Akkordfolgen geöffnet. Kein Wunder, dass Trance aus Funktion-One-Anlagen pumpt und nicht mehr nur als Guilty Pleasure in Closingtracks auf Tränendrüsen drückt.

Krisen bedingen oder begleiten Zustände des absoluten Hedonismus. Das war in der Vergangenheit nie anders. Weltkrieg und Spanische Grippe führten in die Roaring Twenties der 1920er. Die Thatcher-Jahre brachten UK Rave hervor, der Mauerfall führte über Techno zu einer Reunion zwischen Ost- und Westberlin. Vielleicht sorgen Corona, Krieg und Klimakrise zwischen Kitsch und Kokain für … Euphorie am Dancefloor?

Trance: Flirt mit Techno

Es ist Freitagabend. Ich swipe durch YouTube, vorbei an Vice-Dokus, Formel-1-Highlights, Boiler-RoomSets. Ich klicke auf das Video von Fred Again in London. Der britische Producer war nicht nur gerade im Urlaub mit Four Tet und Skrillex. Er zerlegte den Boiler Room mit einem Set, das in zwei Wochen fast drei Millionen Klicks gesammelt hat und nun bei über sechs Millionen steht. Wer drei Minuten ins Set reinhört, weiß warum: Er spielt Bänger nach Bänger nach Bänger. Die Crowd flippt aus. Ich sitz auf meiner Couch und bekomme Gänsehaut.

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Samstagabend, Tag fünf meiner Corona-Quarantäne. Aus Langeweile zocke ich wieder auf YouTube rum und bleibe bei einem Set von Patrick Mason hängen. Der DJ hat zuletzt beim Stone Techno Festival in Essen aufgelegt. In zwei Stunden schaufelt er mehr Schotter aus der Zeche Zollverein als ein Jahrhundert Untertagebau. „Mit seiner Mischung aus hochenergischem Techno, wilden Edits und Trance-Bangern stand Mason mit einem Fuß solide im Trash, die Gesamtperformance aus Musik, Tanz und geballter Persönlichkeit war dennoch an Coolness kaum zu überbieten”, schreibt Ruben Drückler fürs Groove Magazin.

Hier sind sie, die Buzzwords der elektronischen Stunde: Techno, Trance, Trash und Coolness. Irgendwie geht alles zusammen, aber wie lange schon? Armin van Buuren, so etwas wie eine lebende Legende des Trance, sprach kürzlich von einem „Flirt mit Techno”, den er in letzter Zeit wahrnehme. Aber seit wann können selbst undergroundige Techno-DJs ihre Bravo-Hits-Collection durch die Rekordbox feuern, ohne dass sie die Crowd aus dem Club jagt? Und warum wollen gerade alle Magic Moments im Minutentakt statt Loops, die einen über Stunden in Hypnose versetzen?

Ist es die Erkenntnis, dass die Welt beschissen ist und wir nichts tun können, außer hemmungslos zu eskalieren? Oder das Verlangen, nach all den Einschränkungen und Rückschlägen wieder richtig zu feiern? Entfliehen wir für die Dauer einer Klubnacht den Sorgen und Ängsten oder sorgen die Ängste dafür, dass wir uns durch sie aus der Realität stehlen?

Euphorie ist unkontrollierte Realitätsflucht. Sie ist eine Reaktion auf eine Gegenwart, in der man am besten lebt, wenn man nicht jeden Tag durch den eigenen Twitter-Feed wischt und sich statt News nur noch die Breakfast-Show von NTS in die Lauscher streamt. Wir distanzieren uns in der Euphorie von der Realität und schaffen unsere eigene Wirklichkeit. Deshalb geht mit ihr ein Gefühl von Gleichgültigkeit zu unserer Umwelt einher. „Ohnehin alles scheißegal, oder?” Wir leben mit dieser Mentalität, weil sich unser Verständnis von Zukunft in endlosen Timelines auflöst und wir uns nur im eigenen Erleben verstehen. Auch deshalb lehnen wir jeden Objektivitätsanspruch ab, während wir alles auf uns selbst beziehen – mein subjektives Befinden bestimmt mein Leben, dein subjektives Befinden bestimmt deines.

Schau dir doch mal die Zukunft an

Uns geht es beschissen. Aber: Wir haben eine verdammt gute Zeit, während es uns beschissen geht. Indem wir tanzen und feiern und uns euphorisieren, geben wir unserer erlebten Ausweglosigkeit einen Sinn. Das Down kommt ohnehin mit Ansage. Weltweit haben Depressionen seit der Corona-Pandemie um 28 Prozent zugenommen. In Deutschland seien 17 Prozent mehr Menschen von depressiven Symptomen betroffen als in den Jahren vor 2020. Außerdem hat sich das Gefühl von Einsamkeit unter Menschen in der EU seit der Corona-Krise verdoppelt. In beiden Fällen besonders stark betroffen: Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene.

Kein Wunder, dass Psychopharmaka in vielen Ländern inzwischen zu den am meisten verschriebenen Medikamenten gehören. Wir schlucken so viele Pillen wie nie zuvor, um Gefühle zu betäuben, die uns krank machen. Gleichzeitig spüren wir uns selbst nicht mehr. Deshalb suchen wir nach anderen Möglichkeiten, unseren Körper wieder zu fühlen. Die Drogen werden härter, während die Musik vorgibt, wie wir zu fühlen haben. Die Ironie? Nächte werden deshalb nicht länger, sie komprimieren sich im Streben nach kurzweiliger Euphorie in gezielter Eskalation. Auf die Explosion folgen Schall und Rauch.

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Vielleicht fühlen wir uns in der Bereitschaft zu permanenten Updates aber auch nur an unser Leben erinnert. Um neben dem endlosen Betäubungs-Stream zwischen Lifestyle und Timeline noch etwas zu spüren, muss sich schließlich immer etwas verändern. Deshalb funktionieren Eurodance-Schlager und Bravo-Hits-Bänger in ihrer einzelnen Aneinanderreihung wie Push-Nachrichten auf dem iPhone. Alles um uns aktualisiert sich und lechzt nach ständiger Aufmerksamkeit. Statt Hypnose-Loops zerbrechen Tracks in einzelne Momente. Sie zapfen unseren Dopaminspiegel an und geben mit vier Akkorden vor, wie wir zu spüren haben – im Moment, im Jetzt, in einer absoluten Gegenwart, die sich im Trockeneisnebel auflöst.

„Es findet gerade eine Staffelübergabe des Hypes statt – Trance-Melodien fließen in harten Techno”, sagt Nicolas Schmidt. Als Narciss trägt Schmidt Hawaiihemd hinter den Decks, catcht Pokémon bei HÖR-Sets und will Techno wieder kitschig machen. Narciss' Tracks erscheinen auf Labels wie Lobster Theremin oder Eurodance Inc. DJ Heartstring und Julian Muller sind gute Freunde. In den 80ern oder 90ern habe man Trendforschung betreiben können, so Schmidt. „Es gab klar abgegrenzte Stile, die für eine bestimmte Zeit standen. Das funktioniert heute nicht mehr.”

Die Informationsweitergabe sei viel schneller als früher, alles passiere gleichzeitig. Dadurch, so Schmidt, vermischten sich verschiedene Einflüsse und Stile. Aus Techno und Trance wird Techno-Trance. Oder Trance-Techno. Man zitiert das Bestehende und kombiniert es. „Musiker:innen aus unserer Generation sind schließlich mit dem Gedanken aufgewachsen, dass alles schon einmal existiert hat. Deshalb versuchen wir gar nicht erst visionär zu sein, sondern verschmelzen unsere Inspirationen und Einflüsse in einem Trank, den so noch niemand gebraut hat.”

Trance und Tränke

Einer, der sich im Brauen auskennt, ist Dino Spiluttini. Der Producer kommt aus Wien. Seine Alben erschienen auf Labels wie Editions Mego oder Umor Rex. Zuletzt arbeitet er mit Sounds, die sich offener in eine Trance-Richtung orientieren. Dieser Rückgriff habe laut Spiluttini auch mit einer Romantisierung des Vergangenen zu tun. „Ich finde das völlig OK. Es ist nicht so, dass dem Alten nichts Neues hinzugefügt wird. Man selektiert bekannte Elemente und hält die Lupe drauf, rekontextualisiert, zitiert”, so der Producer.

Daraus entstehe für Spiluttini eine emotionale Verbindung, die von einer melancholischen Euphorie bestimmt sei. Eine, die er in der Blütezeit von Trance Mitte der 90er Jahre miterleben konnte. Auch deshalb nimmt er Kultur als Kreisbewegung wahr, alles wiederhole sich in Zyklen. „Der letzte große Trend im Techno waren Industrial und EBM, also Einflüsse aus den 80er Jahren. Jetzt sind wir Mitte der 90er angekommen”, so Spiluttini.

Dino Spiluttini / © Tina Bauer

Producer:innen, mit denen man über Trance spricht, kommen irgendwann auf ihre Kindheit zu sprechen. Damals, in den späten 90ern und frühen Nullerjahren, sei diese Musik in vielen Fällen ihre erste Musikerfahrung gewesen. Sie habe sich eingeprägt, auch weil sie so populär war, dass man nicht an ihr vorbeihören konnte. Trance-DJs wie Paul van Dyk, Tiësto oder Armin van Buuren dominierten die Charts mit einem Sound, den sie aus Eurodance-Mashups und 90s-Pop in ein Korsett aus Hands-up-Moments und Spontan-Ekstase quetschten. Jeder Radiosender spielte die Mukke. Viva war voll damit. Sogar in den Soundtracks von Playstation-Games wie Metal Gear Solid oder Gran Turismo ballerte Trance. Es war Musik, die glitzerte und Spaß machte. Auf Bravo-Hits-Samplern genauso wie in Kinderzimmern oder Kommerzclubs.

In den melancholischen Sounds von heute finden wir jene Gefühle, die uns an diese Zeit erinnern – oder an die Vorstellung, die wir von dieser Zeit haben. Sie sind unschuldige Erinnerungsfetzen, die unsere verzauberte Vergangenheit in ein jämmerliches Jetzt beamen. Schließlich äußert sich Melancholie gerade in bewussten Erinnerungen an etwas, das einmal war, aber nicht mehr ist. Wir suchen nach etwas, das verloren gegangen ist, weil wir irgendwann erwachsen wurden. In der Sehnsucht nach früher prallen Freude und Trauer aufeinander. Freude über das kurzweilige Finden des Vergangenen. Trauer über seinen Verlust. Nur im Dazwischen fühlen wir uns wieder. Zumindest für ein paar Drops am Dancefloor.

Mama, der Mann mit dem Koks ist da

„Der Begriff ’Trance’ kommt von dem transzendentalen Zustand, den man erreichen kann, wenn man voll drin ist”, sagt Niklas Kant alias bbetriebswirt. Als Teil der Mitmischen Crew aus Berlin legt er hauptsächlich Trance auf. Auf Fotos trägt er Raver-Sonnenbrillen. In seinen Streams flackern Visuals aus den 90ern. „Wenn ich einen guten Trance-Track höre, kann ich komplett in den Sound abdriften und eine richtige Story darin erkennen”, so Kant. Alle möglichen Gefühle durchwandere er dann, meist sogar innerhalb eines Tracks. Kant will darin wiederkehrende Elemente erkennen, die „in Wellen immer wieder kommen.”

Auch deshalb sei Trance für bbetriebswirt die emotionalste elektronische Musik. „Man sinkt vom Vibe leicht ab und dann – zack! – entlädt sich alles und die Euphorie und Energie kommt viel intensiver als zuvor zurück.”

Dass manche in der Technoszene nicht glücklich mit der Euphorie-Entwicklung sind, unterstreicht ihre elitäre Grundhaltung. Einzelne DJs und Producer:innen sprechen in Bezug auf Trance sogar abwertend von Trash. Andere belächeln Eurodance-Edits und knallbunte Raver-Outfits. Der Vorwurf, dass Trance kein Techno sein könne, kommt so sicher wie das Amen im Gebreak.

Für David Reiz, Labelbetreiber von Union Trance Mission aus Paris, sind das Argumente von Menschen, die keine Ahnung von Trance haben. „Es ist immer leicht zu lästern, wenn man unwissend ist.” Schließlich hörten viele Leute nur Mainstream-Trance. Dabei habe das nichts mit der Vielseitigkeit des Genres zu tun. „Hard Trance, Psytrance, Goa, Progressive oder Uplifting Trance … es ist unmöglich, dass man dabei nicht das Richtige für sich findet”, so Reiz.

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Dass sich ein Teil der Techno-Community abwendet, wenn Blümchen-Bänger mit Rainbow-Vibes in die Vierviertel-Finsternis drängen, hat auch andere Gründe. Inzwischen gebe es zu viele Techno-Boomer, meint Nicolas Schmidt. „Dabei sind sie in unserem Alter, tragen am ganzen Körper Gaffa-Tape und haben beim Tanzen einen Gesichtsausdruck, als hätten sie gerade die schlechteste Neuigkeit ever bekommen. Ich frag mich: ’Muss das sein?’”

Schmidt stellt die Frage rhetorisch, weil they sich keine Antwort erwarte, die they nicht selbst geben könnte. Dass der Techno-Szene ein Elitarismus anhängt, sei kein Geheimnis. Es gehe noch immer zu oft um die Frage, wie viele Modularsynths man für einen Track benutzt hat. „Oder gib dir die Diskussion zu Tool Techno. Das hat was von Free Jazz, weil man sich ein Ohr antrainieren müsse, um ihn hören zu können”, so Schmidt. Im Gegensatz dazu finde man mit „trancy Kitsch-Sound” viel einfacher Zugang zu einer Szene, zu der man sonst keinen bekommen hätte. „Das passt den Leuten, die Techno als ihr Reich betrachten, nicht in den Kram.”

Dass sich vermeintliche Realkeeper von Secondhand-Klamotten, Warnwesten und Raver-Sonnenbrillen provoziert fühlen, sagt viel über die Haltung der sogenannten Techno-Szene aus. Dabei könnten unterschiedliche Richtungen zu jeder Zeit nebeneinander existieren. Ein Trend wird zukünftig nicht mehr von einem anderen Trend abgelöst werden. Sie existieren vielmehr nebeneinander, bedingen und beeinflussen sich in immer schnelleren Zyklen. Man wird auch künftig nicht mit Hawaii-Hemd ins Berghain spazieren, dort aber immer öfter Sounds hören, die nichts mit dem monotonen Brutalismus der frühen 2010er zu tun haben.

Ästhetisieren wir die Anführungszeichen

Immer mehr Leute bekennen sich zur Unterhaltung und freuen sich, wenn Mariah Carey über Triolen-Techno trällert. Kitsch ist akzeptiert. Emotionen sind in. Nicolas Schmidt führt einen Begriff an, der diese neue Bereitschaft zur künstlich herbeigeführten Übertreibung zusammenfasst: „Camp”. Die US-Schriftstellerin Susan Sontag hat die Bezeichnung in den 60er Jahren bekannt gemacht. Bei Camp geht es um eine Umdeutung des Kitsches. Etwas, das normalerweise negativ konnotiert ist, bekommt eine neue Bedeutung. Anders gesagt: Camp ist die Ästhetisierung der Anführungszeichen. Man pfeift sich Trance nicht mehr ironisch oder heimlich als Guilty Pleasure rein, sondern findet die Mukke tatsächlich cool – und gibt das auch zu.

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„Ich wünsche mir mehr Mut zum Kitsch”, sagt Dino Spiluttini und spricht damit an, was mehrere Producer und DJs unabhängig voneinander im Gespräch erwähnen: „Cool sein ist peinlich.” Dass ausgerechnet Melancholie unironisch in der aktuellen Verbindung zwischen Techno und Trance existieren kann, finden fast alle gut. Schließlich müsse man den Leuten zeigen, dass Techno auch Spaß machen darf. Nicht trotz, sondern wegen des Kitsches, der in der Erinnerung zurück in die Kindheit führt.

Inzwischen ist es Sonntag. Ich klicke auf einen neuneinhalb Stunden langen Clip von der Street Parade in Zürich. Ida Engberg ballert Trance. Adriatique ballern Trance. Reinier Zonneveld ballert Trance. Zehntausende Menschen feiern den Sound. Ein paar liegen sich in den Armen. Der Krieg ist weit weg, die Klimakrise sowieso. Gerade findet die Zukunft statt. Während Laserstrahlen durch die Nacht schneiden, frage ich mich: Werden wir mit diesem Sound jemals alle Gefühle gefühlt haben?

Hinweis: Frauen sind im Trance stark unterrepräsentiert. DJ LAB hat für dieses Feature ebenso viele weibliche DJs wie männliche angefragt. Leider wollte keine Producerin oder DJ mit uns sprechen. Eine Erklärung dafür könnte man in diesem Artikel von Beatportal finden.

Veröffentlicht in Features und getaggt mit Armin van Buuren , bbetriebswirt , Camp , Dancefloor , David Reiz , Dino Spiluttini , DJ Heartstring , Editions Mego , Eurodance , Eurodance Inc , Fred Again , Gran Turismo , Julian Muller , Lobster Theremin , Metal Gear Solid , Mitmischen , Narciss , Patrick Mason , Paul van Dyk , Susan Sontag , Techno , Tiësto , Trance , Umor Rex , Union Trance Mission

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