Überblick: Die besten Festivals 2023 in Deutschland, Österreich und der Schweiz

Überblick: Die besten Festivals 2023 in Deutschland, Österreich und der Schweiz

Features. 21. Mai 2023 | 3,0 / 5,0

Geschrieben von:
Christoph Benkeser

Die schnelle Brille ist geputzt, der Harness gefettet – die Festivalsaison für technoide Traumtänzer:innen kann kommen! Was in diesem Jahr über Wiesen, Seen und Raketenbasen böllert, erfahrt ihr im Open-Air-Überblick von DJ LAB. Unabhängig zusammengestellt für die sonnengebräunte Freiluft-Ekstase in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Heart of Noise Festival (Innsbruck)

Servus die Wadeln! In Innsbruck findet in diesem Jahr wieder das Heart of Noise (HoN) statt. Zwischen dem 25. und 28. Mai 2023 scheppert, knirscht und pfeift es unter der Nordkette, dass Tinnitus-geplagte Träumelinchen vor Freude den Gehörschutz inhalieren. Schließlich reist der experimentelle Sonderzug zwischen All-inclusive-Ambient über den Techno-Trail ins Alpen-Monaco. Mit dabei: Takeshi’s Castle mit Stromgitarren (Boris), Mark Ernestus Rhythmuskapelle (Ndagga Rhythm Force) oder die einzig wahre Dröhnung in der Posh Isolation (Puce Mary).

Außerdem verkabeln sich österreichische Krachmacher:innen nicht nur alibihalber beim HoN – wie jedes Jahr kommen Entdeckungen aus dem Underground, zum Beispiel: Abu Gabi, Morast und Isabella Forciniti. Wer den Platanen des Hofgartens in die Hotbox des Treibhaus-Turms den Lautsprechern folgt, findet dort Kontemplation für die Kernschmelze. Dafür steht das Team um Chris Koubek, David Prieth und Stefan Meister mit seinem Namen – und einem Programm, das zu akuten Anfällen von Schwindel in Krach-Kreisen führt.

Fusion (Lärz)

Wer sich bereits eines der hässlichen Soli-Shirts gekauft hat, muss die Propaganda nicht mehr schlucken. Alle anderen lösen ihr Paypal-Konto auf, um den fusionierten Schuldenberg von 1,5 Millionen Euro kollektiv abzutragen. So ein Hügelchen schickt sich in der Vorpommerschen Tiefebene nämlich gar nicht. Außerdem verwandeln sich auf der Fusion sogar slimfitisierte Content-Warriors zu handzahmen Ferienkommunisten.

Idealer Brutkasten also, um nach drei Lachgaskapseln in die Parallelgesellschaft abzudriften und fünf Turbobier später über Techno, Punk, Reggae, Jazz oder das Kapital zu diskutieren. Wer sich nicht entscheiden kann: Bei der Fusion sind auch jene Genoss:innen gern gesehen, die „eigentlich alles hören”. 2022 haben sich knapp 70.000 durchs unüberschaubar umfangreiche Line-up geklickt. Dieses Jahr sollten zumindest gleich viele Festivalbändchen von Handgelenken baumeln. Ansonsten müssen wir den hässlichen Merch tatsächlich tragen.

Stone Techno (Essen)

In der Zeche Zollverein, dem Eiffelturm des Ruhrgebietes, buddelt man zwar schon nicht mehr rum. Seitdem ein paar Kumpel checkten, dass es sich neben fünf Millionen Tonnen Stahl und der Patina aus 180 Jahren Untertagebau zu Techno tanzen lässt, rotieren die Bohrköpfe aber wieder. Wer letztes Jahr nicht dort war, hat noch den Boiler Ro… äh Arte-Stream in Erinnerung: Patrick Mason brachte Samba in den Pott, KI/KI schleifte Trance durch die Turbinen, Oscar Mulero verbrüderte sich mit Ben Sims über drei Kubikmeter Steinkohle.

Die Probebohrungen sind also erfolgreich abgeschlossen. 2023 wird Beton gegossen! Mit einem Line-up, auf dem Lea Occhi über DJ Gigola, JakoJako, D. Dan bis hin zu Marcel Dettmann oder SPFDJ durch den Industriepark der Zeche poltern, sollte das Fundament bereits Anfang Juli stehen. Vom 8. bis 9. Juli wird aus dem stillgelegten Bergwerk ein stilgerechter Dancefloor. Wetten, dass Patrick Mason wieder oberkörperfrei abzieht?

Paradies Garten Festival (Bruck an der Leitha)

Zwischen Wien und Bratislava liegt Bruck an der Leitha. Wie es sich für ein 8.000-Seelen-Kaff mitten in der niederösterreichischen Provinz gehört, steht dort ein Schloss. Weil das Ding ziemlich gut in Schuss, der Park eine örtliche Oase und der Bumms auch noch öffentlich zu erreichen ist, findet dort seit letztem Jahr ein Festival statt. Hört sich gut an? Ist es auch.

In den Lustgarten, eine halbe Zugstunde von Wien entfernt, lockt ein Line-up, auf dem neben FJAAK, DJ Gigola und Roza Terenzi auch Local Heroes wie Wolfram, Salute oder die Bagage des Wiener Clubs Praterstrasse stehen. Nebenbei heben die Veranstalter:innen ihren CO₂-neutralen Festivalstatus hervor. Schnitzelsemmerl gibt’s also keine, die Beats pumpen dank Ökostrom. Wenn Acts wie Overmono jetzt noch mit der Bimmelbahn ins österreichische Hinterland tuckern, fressen wir unseren Fußabdruck.

Nature One (Kastellaun)

Amelie Lens, Lilly Palmer, Mausio, Sven Väth oder Westbam. Größer sind auf der Nature One nur die Raketen, die man früher auf dem Gelände abschießen wollte. Seit 1995 findet das Festival schließlich auf der Raketenbasis Pydna statt. Inzwischen verirren sich für vier Tage im August über 60.000 Goa-Günthers, Techno-Tanjas und Drum’n’Bass-Daniels in die Pfalz. Warum? Weil’s Spaß macht!

Mit 350 DJs, die sich auf 22 Floors verteilen, finden die Leute nicht nur good vibes, sondern ein besseres Betreuungsverhältnis als an jeder deutschen Uni vor. Studieren muss man in Kastellaun aber nur den Plan für den Campingplatz. Der sei 150 Fußballfelder groß. Darauf finden sich Hüpfburgen, Trampoline und Schaumpartys. Dazu kommen ein paar tausend Zelte. Und noch mehr Outfits, bei denen die 90er-Jahre angerufen haben. Bleibt nur zu sagen: One Love!

Zürich Street Parade (Zürich)

Bevor ein paar Schlaue rumheulen, dass die Street Parade in Zürich gar kein Festival, sondern eine Parade sei. Auf Wikipedia steht, dass es sich bei der Sause um das größte Technofestival der Welt handle. Und: Wikipedia lügt nicht! Außerdem versetzt der Glaube Berge – oder wie entlang des Zürichsees – 30 fahrende Bühnen.

Letztes Jahr streamte Arte über neun Stunden, wie von Ida Engberg über Chris Liebing bis Reinier Zonneveld alle ins Fass der Freude langten. Wer heuer dabei ist? Eigentlich egal. Hauptsache, das Wetter passt. Weil: Woher bekommt man auf die Schnelle über eine Million Regenponchos?

Paléo Festival (Nyon)

Fürs Paléo in Nyon checkt man bei Duolingo ein und büffelt erstmal drei Runden Schwyzerdütsch. Am Genfersee gelegen, findet das größte Open-Air der Eidgenossen statt. Dort spricht man zwar überwiegend Französisch. Grüezi verstehen sie aber alle. Und: Vor sieben Bühnen erwartet man 300.000 Menschen. Die werden nicht alle wegen des Prügeltechnos von Helena Hauff oder Leftfield-Lausebub Daniel Avery kommen.

Manch eine:r freut sich aber schon, die schnelle Brille mit Partyboi69 auszuführen. Mehrheitsfähige Epilepsie-Eskalation gibt’s außerdem mit Martin Garrix. Bei Placebo schmieren sich sogar harte Boys den Schatten unters Lid. Und spätestens beim Auftritt der Black Eyed Peas zocken Berufsjugendliche wieder Fifa. Heißt: Sparschwein plündern, in die Schweiz fahren, Paléooooo!

From Another Mind Festival (Karlsruhe)

Hinter From Another Mind (FAM) stehen SHDW & Obscure Shape, im Schwabenland ausgebildete Fachkräfte für Techno, Rave und Rambazamba. 2023 machen sie aus ihrer Partyreihe erstmals ein Festival. Irgendwo in Karlsruhe sollen am 5. August die Subwoofer rumpeln. Wo genau? Wird nicht verraten. Warum? Weil’s cool ist. The Third Room vom Stone Techno und Vault Sessions aus Amsterdam hosten Stages.

Ben Klock, DVS1, Daria Kolosova oder Narciss stehen nicht umsonst auf dem Line-up. Wer Überraschungen feiert, schaut sich woanders um. Für Freundinnen und Freunde von 12-Tonner-Techno und 38-Achsen-Auflieger ist das FAM aber mehr als ein Kalendereintrag. Ach ja: Tickets gibt’s ab 28 Euro. Dafür haben manche andernorts schon sechs Stunden angestanden.

Krake Festival (Berlin)

Wo sind eigentlich Raver:innen mit Behinderung? Das fragt sich die Berliner Killekill-Crew produktiv seit Jahren – und verpasst dem diesjährigen Krake Festival noch mehr Thema Inklusion als sonst schon. Um von der theoretischen Frage zur praktischen Umsetzung zu kommen, redet man deshalb nicht über sie, sondern mit ihnen: Menschen mit Downsyndrom leiten Panels und Workshops, gestalten das Musikprogramm – und stöpseln auch selbst die USB-Sticks ein.

Ohne Scheiß: Wer von diversen Line-ups labert, hat das Programm des Krake Festival noch nicht gesehen! Choolers Division haben mehr Biss als die gesammelten Werke der Deutschrap-Charts. 21 Downbeat sind – sorry, not sorry! – der Wahnsinn. Und Drag Syndrome waren mit ihrer Performance schon bei Branchenexperte RuPaul. Dass nebenbei auch DJ Stingray und die ziemlich geile Punkband Pisse auftreten, gerät dabei fast in den Bühnenhintergrund. Zur Einstimmung: Unseren Nachbericht vom letzten Jahr.

Poolbar Festival (Feldkirch)

Poolbar klingt nach Ibiza bei 37 Grad im Schatten. Das gleichnamige Festival findet allerdings im westlichsten Teil von Österreich statt – und zwar tatsächlich in einem Pool. 1993 fand im Alten Hallenbad von Feldkirch das erste Poolbar Festival statt, seither verkabeln sich jedes Jahr Bands, DJs und Performance-Acts am Beckenrand. 2023 kommen Sudan Archives, Digitalism oder Peaches. B-Pitch-Badenixe Rosa Anschütz bringt Badebomben mit. Kruder & Dorfmeister geben statt Freischwimmkursen fortgeschrittene Tauchgänge in Nostalgie. Und Danger Dan pustet im Badewaschl-Outfit in die Trillerpfeife.

Übrigens: Der Zeitraum des Festivals ist kein Typo. Die Badesaison beim Poolbar dauert wirklich vom 6. Juli bis 14. August. Die Konzerte konzentrieren sich aufs Wochenende. Für Kabarettprogramm und Filmvorführungen löst man auch Tagestickets an Werktagen. Also: Speedo zwischen die Arschbacken klemmen und an die Poolbar rutschen!

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