Up and Coming – Josiane: "Das Wichtigste ist Mut”
© Mira Margono

Up and Coming – Josiane: "Das Wichtigste ist Mut”

Features. 1. April 2025 | 5,0 / 5,0

Geschrieben von:
Nastassja von der Weiden

Vom ersten DJ-Workshop zum Set bei HÖR, ins Objekt Klein A und ins Radio – und das in gerade mal drei Jahren: Josiane hat genau das geschafft. Mit welchem Track sie als Teenie elektronische Musik entdeckte, warum sie die Szene ihrer Wahlheimat Berlin liebt und wieso sie heute bewusst nüchtern lebt, erzählt sie uns im Gespräch. 

Josiane gehört zu den aufstrebenden Namen der elektronischen Musikszene. Seit ihrem ersten Set im Dresdner Club Objekt Klein A – bekannt für ausgesucht-gute DJs und lange Nächte – gehört das OKA zu ihren Lieblingsclubs, wie sie uns im Interview erzählt.

Dort aufzulegen sei immer wieder eines ihrer Highlights. Zuletzt war sie bei HÖR eingeladen, ein weiterer Meilenstein ihrer Karriere, die noch gar nicht so lange existiert, wie man meinen könnte – ihre Gigs, classy-housy Sets und ihre eigene Podcast-Radioshow namens "Private Paradise" lassen eigentlich viel mehr Vorlauf und Erfahrung vermuten.

Dabei legt sie erst seit 2022 auf. Angefangen hat alles mit einem Refuges-Radio-DJ-Workshop bei Sarah Farina in Berlin: "Ich habe Freunden schon lange erzählt, dass ich auflegen lernen möchte. Vor drei Jahren habe ich es dann gemacht, bin zum Workshop gegangen und habe dort tolle Menschen kennengelernt. Na ja, und eben auch auflegen gelernt", erzählt Josiane.

Kongolesische Wurzeln und Wahl-Berlinerin

Josiane wurde in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo geboren und ist dort aufgewachsen. "Der Kongo ist meine Heimat, das sind meine Menschen. Mein Vater leistet bis heute viel Aufklärungsarbeit in Deutschland. Wir alle sind vom Kongo abhängig – ob bei Social Media, IT oder Künstlicher Intelligenz. Die Ressourcen im Kongo und die Menschen dort werden allerdings ausgebeutet und bekommen nichts vom Kuchen ab. Darüber sollte mehr gesprochen werden", sagt sie. 

Schon als junges Mädchen war Josiane kreativ. "Im Kongo lernen Mädchen Hauswirtschaft ab der ersten Klasse. Ich habe schon immer gerne gezeichnet, gemalt, genäht. Und auf die Frage, was ich später mal werden will, habe ich geantwortet: Designerin." Musik war dabei immer ihr Begleiter: Zuerst sang sie im Kirchenchor, später lernt sie auch Gitarrespielen.

Die DJ Josiane kniet vor einer Kachelwand und schaut in die Kamera
© Mira Margono

Ein großer Sprung nach vorn: Josianes Familie kommt nach Deutschland, zu diesem Zeitpunkt ist sie neun Jahre alt. Sie macht hier ihr Abitur. 2015 landet sie dann in Berlin, arbeitet als Model, lernt die Stadt "so richtig" kennen und geht viel feiern – und verliert sich in der Metropole, wie sie sagt. An der Uni ist sie zwar eingeschrieben, aber sie studiert nicht. "Ich habe mich vom Feiern und von Drogen zu sehr mitreißen lassen", sagt sie. Sie verlässt Berlin nach zwei intensiven Jahren dann erst einmal wieder, um dem gerecht zu werden, was sie sich vorgenommen hat: mit Kleidung arbeiten. Sie macht eine Ausbildung zur Bekleidungstechnischen Assistentin und kehrt anschließend zurück nach Berlin – denn wahre Liebe rostet nicht.

Mode und Musik konkurrieren bei Josiane nicht miteinander, ihre Leidenschaften sind fest miteinander verwoben: "Ich versuche meine Coolness und meine Ästhetik in meine Sets miteinzubringen. Und das mache ich auch mit meiner Kleidung. Es wird immer eine schöne Story erzählt, es ist simpel, aber auch aufregend." Dieses Jahr launcht sie ihr eigenes Modelabel namens ROBOAM, das den Fokus auf Nachhaltigkeit, Ästhetik und Minimalismus legt.

Für beides, ihre Mode und Musik, will sie gleichberechtigt Zeit aufwenden, auch wenn das nicht immer klappt: "Die Musik hat bisher immer die Oberhand. Ich hatte vergangenes Jahr zum Beispiel so viele Gigs, dass ich kaum in meinem Modestudio war." 

Tokenismus und Konsum in der Clubszene

Zur elektronischen Musik fand Josiane schon als Teenie. Ein Schulfreund zeigt ihr damals den Track 'Heart and Soul’ von Chrome Sparks, was in ihr tatsächlich die Begeisterung für elektronische Musik entzündet. Sie beschließt, die Gitarre beiseitezulegen, hat sie doch keine Lust mehr darauf, Schlager wie 'Marmor, Stein und Eisen bricht’ zu spielen. Und in Berlin kommt dann eins zum anderen: der Workshop bei Sarah Farina wird zum Startschuss ihres DJ-Daseins, das sie seitdem mit Hingabe und Perfektionismus pflegt. "Ich muss aber darauf achten, lieb zu mir zu sein. Andere machen das Ganze seit 20 Jahren und machen auch mal Fehler. Ich will es eben immer perfekt haben", lacht sie.

Abgefuckt ist Josiane von dem Gefühl, ein Token auf dem Line-up zu sein: "Ich weiß, es gibt nicht viele Black and Brown DJs, die House spielen, aber ich würde mir wünschen, dass zwei DJs aus der Community auflegen. Ich habe manchmal das Gefühl, die Quoten-Schwarze zu sein, was unangenehm ist." Und: "Ich finde es wichtig, dass Schwarze DJs vom Bahnhof abgeholt und auch nach ihrem Gig hingebracht werden. Ich hatte schon echt unschöne Erfahrungen, leider vor allem im Osten. Auch wenn sie zum Glück nicht eskaliert sind." 

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Was auch etwas weird sein kann, sind verdrogte Leute im Publikum, findet die DJ: "Ich konsumiere selbst seit vier Jahren nicht mehr und trinke auch keinen Alkohol. Einmal wurden mir Drogen angeboten und als ich ablehnte, wurde ich gefragt: "Was bist du denn für ein DJ?!". Ein anderes Mal gab es eine Person, die mich auf Ecstasy abknutschen wollte, als ich gerade gespielt habe." Es sollen alle konsumieren was sie möchten, aber dabei respektvoll bleiben, sagt Josiane und führt aus: "Ich habe für mich entschieden, dass ich nicht mehr verkatert sein möchte. Und ich spüre jeden Tag, was ich für eine Power in mir habe." Sie habe ihren Selbstrespekt zurückgewinnen wollen. "Denn ich mochte die Person nicht, die ich unter Drogeneinfluss war. Das Schönste am Nüchternsein ist, dass ich mein Potenzial endlich wirklich erlebe."

Traum für die Zukunft: "Panorama Bar, ganz klar"

Beim Sprechen über die Vergangenheit bleiben wir immer wieder bei den Highlights der letzten Zeit hängen. Wir kommen aber auch darauf zu sprechen, was es braucht, um erfolgreich zu sein: "Mach es einfach. Das ist mein Rat. Mut ist das Wichtigste", sagt Josiane. "Ressourcen teilen und in Miet-Studios üben, auf Events gehen, Leute kennenlernen und proaktiv ansprechen. Ich habe bis heute kein vollständiges Equipment und mache es genau so: ansprechen, leihen, Netzwerke anschreiben." Und genau dafür sei Berlin weiterhin der richtige Ort. "Man kann auch ohne Agentur weiterkommen – wenn man kreativ ist und eine Lücke findet, die man mit einer eigenen Idee schließen füllt. Überleg dir, was in der Szene fehlt – und mach diese Idee zur Wirklichkeit."

Unterstützt wird Josiane von jemandem, der schon immer an sie geglaubt hat: ihrem Vater. Früher war er stolz, wenn sie mit der Gitarre aufgetreten ist, heute schaut er sich ihr Set bei HÖR auf YouTube an. 

Aber dabei soll es nicht bleiben, Josiane hat weitere Träume und Ziele, was das Auflegen angeht. "Ich bin zwar privat selten in der Panorama Bar, aber sie gehört zu meinen Lieblingsorten." Ob sie dort auch gerne mal spielen würde? "Ganz klar, ja", lacht sie. Auf ihrer Wunschliste stehen außerdem Festivals wie das ADE oder das Dekmantel Festival in Amsterdam.

Bis zu ihren nächsten Gigs in Berlin, Dresden oder Leipzig könnt ihr den exklusiven Mix von Josiane für DJ LAB genießen. Have fun.

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