Up and Coming: Sachsentrance – Laut, schrill & schnell
Laut, schrill, schnell – drei Worte, die das Sachsentrance-Kollektiv aus Leipzig beschreiben. Extravagant und außergewöhnlich könnte man noch anfügen. Und erfolgreich: Das gleichnamige Label feiert bald das zweite Vinyl-Release, das inflationäre Corona-Streaming wurde nach Sachsentrance-Art auf einmalige Art und Weise neu gedacht und dabei von einer 360°-Virtual-Reality-Erfahrung abgelöst – und auch in Berlin ist das Kollektiv längst bekannt. Hinzu kommen noch ihre Partyreihe im Conne Island in Leipzig, illegale Raves in unbekannten Off-Locations sowie ein achtstündiger Auftritt auf dem Feel Festival (ohne gebucht worden zu sein) – die Liste der Highlights ist lang. Und sie wird zukünftig noch länger, das ist sicher. Wir haben Lea, eine Hälfte des DJ-Duos The Jakob Sisterz und Pico aka Raverpik – zwei der vier Macher:innen und sechs Residents hinter Sachsentrance – zum Interview in ihrer neuen Stammlocation, den Pittlerwerken in Leipzig, getroffen.
DJ LAB: Erzählt doch mal von dem Kollektiv, eurer Crew beziehungsweise – wie ich gelesen habe – von eurer “Bewegung“: Wer seid ihr, was macht ihr und wie habt ihr euch kennengelernt?
Lea: Vor vier Jahren haben Krissi und ich Trance schon sehr gefeiert und uns gefragt: Warum spielt das niemand? Warum gibt es keine Trance-Partys? Denn in dieser Zeit war Trance noch nicht so gefragt wie heute. Wir hatten dann die Idee, eine reine Trance-Party zu veranstalten, da haben sich extrem schnell Leute gefunden, die Bock hatten da aufzulegen. Job Jobse hat damals zum Beispiel auch bei unserer ersten Party gespielt. Unser Open Air war direkt ein großer Erfolg. Krissi und ich haben dann Pico kennengelernt und es war direkt ein Match. Wir haben uns also zur richtigen Zeit am richtigen Ort gefunden, bevor Trance zum Trend wurde. Unsere Partys zeichnen sich dabei vor allem durch Witz und Selbstironie aus.
Die berühmte Namensfrage: Wieso eigentlich Sachsentrance? Und ist „Love music, hate Sachsen“ zu eurem Credo geworden?
Lea: Wir haben uns Sachsentrance genannt, weil am Tag unseres ersten Open Airs der „Tag der Sachsen“ war. Als Gegenbewegung haben wir uns dann Sachsentrance genannt. Es ist verständlich, Sachsen in seiner aktuellen Verfassung zu hassen. Man braucht nur an den Rassismus und das Nazi-Problem in Sachsen zu denken. Dennoch ist „Hate Sachsen“ nicht unser Credo, weil wir uns mit dieser Situation nicht abfinden wollen.
Pico: Wir wissen natürlich, dass viel Scheiße in Sachsen passiert. Wir kritisieren das oft vorherrschende konservative und rechte Denken in Sachsen – genau deshalb wollen wir einen positiven Beitrag leisten, die subkulturelle Szene in der sächsischen Provinz zu unterstützen und eben diese Strukturen fördern. Das machen wir, indem wir Kampagnen wie #HikeFor supporten. Das ist eine Gruppe, die eine neue Skatehalle in Grimma bauen will – den Erlös unserer ersten Platte haben wir zum Beispiel an #HikeFor gespendet.
Lea: Und klar, es gibt auch Dinge, die wir an Sachsen und Leipzig feiern, diesen geilen sächsischen Humor und natürlich unsere Crowd, die schon echt besonders ist.
Pico: Die Freiheiten, die wir hier haben, die gibt es auch nicht überall. Vor allem Leipzig ist offen für alles, das sehen wir bei unseren Partys. Unsere letzte illegale Party war in einer Off-Location, die noch nie vorher für Partys genutzt wurde – es gibt hier also noch Freiraum, Dinge neu zu gestalten.
Ihr seid mittlerweile auch ein Label. Wie kam es zur ersten Platte? Und kommt bald die nächste?
Lea: Die Idee zum Label kam durch Corona, weil wir keine Partys veranstalten und nicht auflegen durften. Erst hatten wir überlegt ein digitales Release zu machen, Pico wollte aber unbedingt eine Vinyl rausbringen – und das haben wir dann auch gemacht. Die nächste und übernächste Platte sind auch schon in Planung. Auf unserer zweiten Platte werden hauptsächlich Tracks von Peter aka Hkkptr releast. Das Presswerk muss nur hinterherkommen.
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Eine Platte als Corona-Baby sozusagen. Wie habt ihr als Kollektiv die Corona-Pause sonst noch genutzt? Wie habt ihr eure Partys streaming-tauglich gemacht?
Lea: Streaming-tauglich kann man Sachsentrance nicht machen, man muss Sachsentrance erleben. Anfangs haben wir natürlich auch einen Stream gemacht, warum auch nicht – den zweiten haben wir dann aber als Virtual-Reality-Stream umgesetzt. Wir haben mit einem professionellen Filmteam und einer 360°-Kamera eine reale Party – mit nur wenigen Leuten und Sicherheitskonzept – gefilmt und bei YouTube gestreamt. Und damit kann man, wenn man eine VR-Brille hat oder eine ausleiht, quasi auf dieser Party mittanzen. Da kommt schon ein guter Vibe rüber.
Pico: Es ist auf jeden Fall sehr empfehlenswert, den Stream mit VR-Brille und einer fetten Anlage zu schauen. Ich habe das mit den drei Sets, die wir gefilmt haben, gemacht und es hat sich tatsächlich so angefühlt, als sei man auf der Party dabei.
Das klingt nicht nur aufwändig, sondern auch teuer. Wie habt ihr das finanziert?
Lea: Das hat das Land Sachsen gesponsert! (lacht)
Pico: Das meiste Geld ist an das Filmteam geflossen, aber ja, das Land Sachsen hat das Projekt gefördert. Es war auch ein echt großer Aufwand, der sich aber gelohnt hat.
Welches sind neben dem VR-Stream und eurer Platte eure bisherigen Highlights in der Sachsentrance-Vita?
Lea: Also ein Highlight war für mich, als wir uns spontan einen achtstündigen Gig auf dem Feel-Festival organisiert haben. Da waren wir zwar gar nicht gebucht, aber hatten so sehr Bock zu spielen, dass Krissi und ich zu einem der Stage-Manager vor Ort gegangen sind und gefragt haben, ob wir spielen dürfen – und der hat uns dann echt ab 18 Uhr auflegen lassen. Pico hat auf dem Feel mit einer anderen Crew eine andere Bühne bespielt und war deshalb auch auf dem Festival. Die erste Stunde war bei uns noch nicht so viel los, aber am Ende haben die Leute acht Stunden lang richtig Party gemacht. Seitdem werden wir dort regelmäßig gebucht (lacht).
Pico: Und wenn wir nicht gebucht werden, dann zecken wir uns halt rein.
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Ihr seid bekannt für euren exzentrischen, schrillen, trashigen Look. Worauf achtet ihr dabei? Wie bekommt man den Sachsentrance-Style zu Hause hin? Und was ist dabei eure Inspiration, euer Ziel, eure Message?
Lea: Unsere Inspiration sind die 90er, ganz klar. Wir alle leben diesen Stil, das kommt bei uns von innen. Es macht auch einfach Spaß, sich ein bisschen zu verkleiden – und alles mitzumachen. Also nicht nur die Musik aus den 90ern zu hören, sondern sich auch so anzuziehen. Wenn man den Style zu Hause nachmachen will, dann sind Neonfarben schon mal eine gute Idee.
Pico: Den VR-Stream anmachen wäre auch nicht schlecht.
Lea: Also Neon, Reflektoren …
Pico: … und einen Laser und ein Stroboskop ins Zimmer stellen. Outfittechnisch würde ich sagen: Weniger ist mehr, aber viel hilft auch viel. Auf den meisten klassischen Techno-Partys fühlt man sich eher eingeengt, finde ich. Aus meiner Perspektive ist es wichtig, einen Ort so zu öffnen, dass sich Leute frei entfalten können. Das drücken wir mit unseren schrillen Klamotten aus.
Apropos Stil und Gestaltung: Mit welchen Künstler:innen arbeitet ihr für eure Grafiken und euer Merchandise zusammen?
Lea: Wir arbeiten mit der Grafikerin Kimberly Madox sehr regelmäßig zusammen. Yanik Balzer, der normalerweise „Ravemöbel“ für Clubs gestaltet, wird unser nächstes Plattencover designen, unser Freund Hantsch aka Martin Lovekosi schießt unsere Pressebilder – und mit Monty Richthofen aka Maison Hefner folgt jetzt bald eine Kooperation mit neuen Shirts.
Neues Merch, zweite Platte – was steht in Zukunft noch bei euch an? Was sind eure Pläne und Visionen?
Lea: Wir möchten nächstes Jahr ein Festival in den Pittlerwerken machen, mit mehreren Floors und über mehrere Tage. Es wird sich dabei alles um schnelle Musik drehen. Das ist unser größtes Zukunftsprojekt – darauf haben wir alle schon richtig Bock. Ob und wie es neben der Musik noch ein Kulturprogramm geben wird, das überlegen wir uns gerade noch.
Pico: Einen Schießstand fände ich für das Festival lustig und einen Breakdance- und Stagedive-Workshop (lacht). Da fällt uns ganz sicher noch viel ein.
Sachsentrance muss man erleben. Und hören. The Jakob Sisterz haben exklusiv für DJ LAB einen Mix aufgenommen, den ihr euch am besten laut und umgeben von Neonröhren gönnt:
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