Was sind NFTs? Erklärung zum neuen digitalen Sammlergeist
Ein GIF einer fliegenden Katze für 600.000, ein NBA-Dunk-Video für 208.000 und ein Musikalbum für 3,6 Millionen US-Dollar. Der Hype um NFTs macht derzeit vor keiner Branche halt. Steckt hinter den digitalen Gütern mehr als ein übertriebener Sammlergeist?
Kryptowährungen kommen immer mehr im Mainstream an. Nach einer längeren Durststrecke erfährt der Markt um Bitcoin ein Hoch nach dem anderen. Das hängt vor allem mit dem steigendem Interesse von institutionellen Anleger*innen und Unternehmen zusammen. Ob als Inflationsschutz gegen das Gelddrucken in Krisenzeiten – 2020 wurden 40 % aller sich im Umlauf befindenden US-Dollar gedruckt (siehe Bild) – oder als alternatives Peer-to-Peer-Zahlungsmittel, Kryptowährungen werden für immer mehr Anleger*innen zu einer Alternative.
Die Legitimität als anerkannte Assetklasse hat vor allem durch Investments und Kooperationen von großen Firmen zugenommen. Die Investmentfirma Grayscale hält Krypto-Assets im Wert von 30 Milliarden US-Dollar und Tesla machte im Februar seinen ersten offiziellen Bitcoin-Kauf in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar öffentlich. Auch sonst gab es zuletzt viel Bewegung: Seit Herbst 2020 ist es in den USA möglich, Kryptowährungen über Paypal zu kaufen und VISA kündigte eine Integration von Bitcoin als Zahlungsservice für 2021 an.
Doch Kryptowährungen sind für viele mehr als nur "digitales Gold" oder ein alternativer Wertspeicher. Mit NFTs profitiert gerade ein neuer Bereich vom Krypto-Boom. Digitale Güter, die an NFTs gebunden sind, werden auf Marktplätzen um Millionensummen gehandelt: Darunter virtuelle Kunst, Videos, Songs, Sammelkarten und vieles mehr.
Was sind NFTs?
NFT steht für "Non-fungible Token" – zu Deutsch: "nicht austauschbare Token" – und bezeichnet einzigartige kryptografische Token. Diese Token können mit digitalen Gütern verknüpft werden. Die Token sind einmalig und können nicht repliziert oder zerstört werden. Im Vergleich dazu sind Euros, Gold oder auch Bitcoins austauschbar. Es macht keinen Unterschied, ob man mit zwei Fünf-Euro-Scheinen oder einem "Zehner" zahlt, der Wert bleibt derselbe.
NFTs sind dagegen mit einzigartigen Gütern vergleichbar: ein Picasso-Kunstwerk oder ein Theaterticket für Faust. Virtuelle Güter wie digitale Kunst oder ein digitalisiertes Albumcover können mit solchen NFTs verknüpft werden. Die Token kann man sich dabei als digitale Zertifikate vorstellen, welche eben an ein digitales Gut gebunden sind. Dabei ist es auch möglich, den gekauften "Punk" (siehe Bild) am Computer oder Fernseher, zum Beispiel als JPEG, anzeigen zu lassen.
Der Token ist durch die Blockchain quasi abgesichert. Da sämtliche Transaktionen auf der Blockchain für immer festgehalten werden und öffentlich einsehbar sind, ist ein nachträgliches Fälschen nicht möglich. Also kurz zusammengefasst: Ein NFT dient als Echtheitsnachweis für eine digitale Datei. Die Käufer*innen kaufen sich mit NFTs den Beweis, dass ihre Kopie die "echte" und authentische Version eines digitalen Guts ist.
Worin liegt der Wert?
In einem Blogbeitrag erzählen ein paar junge Männer, warum sie sich für 35.000 US-Dollar ein Video von einem Dunk von NBA-Spieler Ja Morant gekauft haben. Dabei ist das Video auf vielen Plattformen kostenlos abrufbar. Dennoch sehen sie es als Investment in die Zukunft. Hier bleibt weiter die Frage – wozu das Ganze?
Im Prinzip befriedigt das ganze System grundlegende menschliche Bedürfnisse: Spielen und sammeln. Man kann sich die digitalen Kollektionen als Alternative zum Panini-WM-Sammelheft vorstellen – nur dass es die Sticker nur jeweils einmal gibt. Die künstliche Verknappung der digitalen Güter auf der Blockchain machen die Objekte zu einem raren Gut, welches dadurch an Sammlerwert gewinnt.
Personen haben also ihre digitalen Sammelhefte, in denen sie allerlei Zeug aufbewahren können, welches in dieser Form nur ihnen gehört. Das können digitale Formen von Kunstwerken beliebter Künstler*innen, Waffenskins aus Videospielen, einfache GIF's oder verpixelte Punks sein. "Gut, das ist natürlich nicht vergleichbar mit meinen Pokémon-Spielekarten" – werden jetzt Betroffene einwerfen. Mit denen kann man ja auch wirklich spielen und sie auch angreifen.
Bei sehr wertvollen Objekten ist das allerdings nicht der Fall. Eine Holo-Glurak Karte in gutem Zustand kostet mittlerweile als Erstausgabe mehrere hunderttausend Euro. Um den Zustand zu bewahren, wird mit der Karte nicht gespielt. Ein Picasso-Gemälde um 10 Millionen Euro hängt sich auch niemand ins Wohnzimmer, stattdessen verstaubt es als Wertanlage in einem lichtgeschützten Safe. Die ganzen Lager- und Sicherungskosten sowie mögliche physische Schäden fallen daher bei digitalen Gütern weg.
Ingame-Shops boomen
Dass Personen bereit sind hohe Summen für "digital goods" auszugeben, ist vor allem im Gaming-Bereich zu beobachten. Immer mehr Spiele verfolgen ein Free-2-Play-Modell, bei dem das Grundspiel kostenfrei ist und man für Skins, Waffen und Charaktere Geld ausgeben muss. Mit diesem Modell wurden Spiele wie League of Legends, Fortnite oder Warzone zu globalen Hits. Die Umsätze von Ingame-Shops machen sich für Spiele-Hersteller richtig bezahlt. Mit FIFA Ultimate Team generiert EA jährlich 1,4 Milliarden US-Dollar – ein Vielfaches der Einnahmen von ihren physischen Spieleverkäufen.
Im gesamten Gaming-Markt wurden 2020 unglaubliche 127 Milliarden US-Dollar für virtuelle Güter ausgegeben. Gut, die Ingame-Items kann man zumindest im Spiel benutzen. Allerdings werden nur wenige Spiele jahrelang gespielt (jedes Jahr ein neues FIFA Ultimate Team), die Items gehören den Entwickler*innen und sind außerdem nicht einzigartig. Außerdem sind diese F2P-Modelle hauptsächlich in Online-Games üblich, bei denen die Server früher oder später abgedreht werden.
NFTs sind mehr als Sammelobjekte
Kommen wir zur Musikindustrie. Seit einem Jahr stehen die Clubs still. Musiker*innen bekommen kaum staatliche Hilfen und Verkäufe von Stücken und Alben sind dank Diensten wie Spotify & Co. schon lange nicht mehr erträglich, weshalb Livestreams eine der letzten Einnahmequellen geworden sind. Da kommt natürlich jede neue Verdienstmöglichkeit gerade zur rechten Zeit. Entsprechend hat das Interesse an NFTs bei Musiker*innen zugenommen.
Sie können ihre Songs an NFTs binden und direkt an treue Fans verkaufen. Dabei gibt es auch keine dritte Partei, die bei den Deals großartig mitschneiden kann. Labels sind für den Verkauf nicht notwendig, auf großen Marktplätzen verlangen die Betreiber*innen nur geringe Verkaufsgebühren: Bei OpenSea etwa 2,5 %. Für die Auktionen nutzen aber auch viele Kunstschaffende einfach ihre eigene Webseiten. Dazu kommen noch die Transaktionskosten für die Überweisung der Kryptowährung (meist Ethereum). Diese liegen allerdings im Cent- oder maximal im einstelligen Eurobereich.
Die NFTs können dabei mehr als nur eine digitale Plattenkollektion sein. Songrechte, physische Güter, Autogramme, Skype-Sessions und vieles mehr lassen sich bei den Auktionen ebenfalls versteigern. So bieten sich für manche Fans neue Möglichkeiten enger mit den Musiker*innen in Kontakt zu kommen. Aber auch für Spekulant*innen bieten sich Chancen.
3Lau verkauft Album für 3,6 Millionen Dollar
In 2020 gab es schon einige bekannte Musiker*innen wie Deadmau5, Grimes und Feed Me, die in das NFT-Spiel eingestiegen sind. Dabei werden Alben und Songs als einzigartige Token gespeichert und verkauft. Käufer*innen erhalten also einen digitalen Abdruck einer Platte (meist "nur" ein Bild), die sie in ihre Online-Sammlung stecken können. Im Falle von 3Lau wurde sein 2018 veröffentlichtes Album 'Ultraviolet' versteigert.
Der Top-Bieter erhielt dabei alle elf Tracks des Albums als NFTs, eine physische Schallplatte und eine Producing-Session mit 3Lau. Die Bieter*innen auf den Plätzen 2 bis 6 erhielten sieben der elf Tracks. Allerdings sind manche Tracks seltener und haben dadurch einen höheren Wert. Insgesamt wurden in diesem Fall 33 NFTs erzeugt. Über 11 Millionen US-Dollar hat 3Lau mit der Auktion eingenommen.
Neben dem Verkauf von visualisierten Platten hat sich der kanadische Producer Jacques Greene noch ein weiteres Extra überlegt. Zusätzlich zum digitalen Artwork eines Tracks hat Greene auch die dazugehörigen Publishing-Rechte verkauft. Dadurch wollte er einer Person aus der Musikindustrie die Möglichkeit geben, mit dem Track 'Promise' selbst durch Publishing-Einnahmen Geld zu verdienen.
Aktuell boomt der Handel mit Musikrechten von Künstler*innen. Dieser Markt würde sich auch für NFTs anbieten, dadurch wäre ein öffentlich sichtbarer und unfälschbarer Handel möglich. Künstler*innen könnten auch Anteile an einem Album auktionieren. Bei zukünftigen Streaming- und MP3-Verkäufen würden die Inhaber*innen anteilig vergütet werden. Die Bieter*innen würden daher auf erfolgreiche Songs spekulieren, mit denen sie in Zukunft Geld verdienen könnten.
NBA-Dunks für tausende Dollar, digitale Kunstwerke für Millionen
Das Potenzial von NFTs haben auch die Marketingexperten der besten Basketballliga der Welt erkannt: Die NBA hat digitale Sammelstücke von NBA-Highlights in Kartenpacks verkauft. In diesen waren zufällige Highlights von Spielern enthalten, etwa ein 3-Punkte-Buzzerbeater in den Playoffs von Luka Dončić oder ein ein Monsterdunk von LeBron James. Die Packs waren schnell ausverkauft und die Highlights von einzelnen Spielern werden jetzt auf dem dazugehörigen Marktplatz gehandelt. In wenigen Wochen investierten Sammler*innen über 230 Millionen Dollar in diese NBA-Highlights. Auf Cryptoslam kann der NBA-Marktplatz in Echtzeit verfolgt werden. Dieser Dunk von LeBron im Dress der Lakers wechselte dabei für stolze 208.000 US-Dollar den*die Besitzer*in.
Oder nehmen wir den Digital-Art-Künstler Beeple, der seine Kunstwerke an einem Wochenende für 3,5 Millionen US-Dollar versteigerte. Diese Summen hat sich Beeple allerdings auch erarbeitet: 13 Jahre lang veröffentlichte er kostenlos Bilder auf seiner Webseite und hat eine große Community, die seine Werke feiert. Dass man nicht mit jedem in fünf Minuten erstellen Photoshop-Bild Millionen machen wird, sieht man auf dem größten NFT-Marktplatz OpenSea. Insgesamt stehen dort 14 Millionen Objekte zum Verkauf. Auf gerade einmal 48.000 (bzw. 0,35 %) wird überhaupt geboten.
Für talentierte Künstler*innen sind solche Marktplätze dennoch eine große Chance, bei der auch kein Verlustrisiko besteht. Da die gekauften digitalen Bilder auch angezeigt werden können, etwa auf einem digitalen Bildderrahmen, ist hier auch eine reale Komponente gegeben, die den sentimentalen Wert für Kunstsammler*innen erhöhen kann. Beeple speicherte die Informationen der Token mitsamt den digitalen Kunstwerken auf entsprechenden Bilderrahmen und versendete diese an die erfolgreichen Bieter*innen.
Sinnvolle Anwendungsfälle
Bei den vorher genannten Summen stellt sich natürlich schnell die Frage, ob das Ganze nachhaltig oder eine riesige Blase ist. Die boomende NFT-Branche profitiert derzeit stark vom Bullenmarkt bei Kryptowährungen, der auch nicht ewig anhalten wird. Viele neue "Krypto-Millionär*innen" aus 2020 suchen derzeit alternative Märkte, um mit ihren Coins zu spielen. Ob der Markt so liquide bleibt, dass ein digitales Bild von einer Katze auch in 10 Jahren noch eine*n Abnehmer*in findet, weiß heute natürlich niemand.
In jedem Fall gibt es auch sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten, die über den Sammel- und Spekulationsdrang von Menschen hinausgehen. Bei Computerspielen gehören derzeit dem*der Publisher*in alle digitalen Items, die verkauft werden. Der seltene Waffenskin in Counter Strike gehört ebensowenig dem*der Spieler*in wie der legendäre Lionel Messi aus FIFA 17. Durch das dezentrale System hinter NFTs könnten digitale Güter in Zukunft wirklich einzigartig Abdrücke bleiben, die den Käufer*innen auch wirklich gehören, denn das digitale Gut kann nicht von einer höheren Instanz gelöscht, verändert oder verkauft werden.
Auch sind zukünftige Übertragungsrechte ohne Notar*in und Grundbuch möglich. In der Blockchain könnten über Smart Contracts sämtliche Besitzer*innen von Grundstücken und Immobilien festgehalten werden. Auch die Sicherung von Eigentum ist durch NFTs möglich. Der*die Eigentümer*in könnte durch das Besitzen der "private keys" beweisen, dass ihm*ihr ein bestimmtes Gut – sei es ein Bild oder Haus – auch wirklich gehört. Das System ist fälschungssicher und erspart viel Bürokratie und Arbeitszeit. Und dann gibt es noch die Geschichte mit der Verknüpfung von Musikrechten an Token. Die Erzählungen zu NFTs sind in jedem Fall noch lange nicht am Ende und wir können uns auf spannende Berichte freuen, die die einige Kreative in Atem halten werden.
1 Kommentare zu "Was sind NFTs? Erklärung zum neuen digitalen Sammlergeist"
Und jetzt bitte noch erwähnen, dass man pro NFT etwa soviel Strom braucht wie 20-60 Jahre Strom einer Einzelperson in Europa oder 800 Stunden Flugzeug fliege
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