Workshop: Techno produzieren mit 2pole – Teil IV: Mixing

Workshop: Techno produzieren mit 2pole – Teil IV: Mixing

Workshops. 21. April 2020 | / 5,0

Geschrieben von:
2pole (Marcus)

2pole. Diesen Namen dürften Techno-Fans zuletzt immer häufiger gelesen haben, denn die beiden Musiker sorgen derzeit für mächtig Betrieb auf den Tanzflächen. Von Adam Beyer über Tale of Us bis zu Ida Engberg spielten sämtliche Größen der Szene ihre Tracks in den kleinen Clubs und auf den großen Floors der Festivals. Wir konnten Mitglied Marcus für eine Workshop-Serie gewinnen, in der er die Herangehensweise beim Produzieren vom Signature-Techno von 2pole nachvollziehbar erklärt: 

Jetzt ist es endlich so weit: Der Track steht und es geht an den Mix. Die beste Vorbereitung für das Techno-Mixing ist eine Pause. Denn nach einem langen Tag im Studio ermüden eure Ohren und transportieren falsche Eindrücke zum Gehirn. Deswegen ist es wichtig, den Song nach der Erstellung des Arrangements erst einmal zur Seite zu legen und frühestens am nächsten Tag mit frischen Ohren ans Werk zu gehen.

Nach der Pause starte ich die DAW Ableton Live 10 und sortiere die einzelnen Spuren nochmals, nun mit mehr Abstand und einem frischen Gehör. Die Spuren fasse ich fürs Techno-Mixing zu Gruppen zusammen, die ich frequenzabhängig einteile, das heißt, eine Gruppe behandelt den Bassbereich (Bass Linie, „Rumble“), eine zweite den unteren Mittenbereich (Melodien, Lead-Sounds), eine dritte die Höhen (Hihats, Percussions, Effekte) und so weiter. Das hat folgenden Vorteil: Ich kann jede Gruppe gesondert mit Plugins bearbeiten. Aber dazu später mehr. Meistens lasse ich die Kick Drum separiert als eigenständige Spur, die ich unbearbeitet zum Master-Kanal route (der Sound sollte eigentlich schon in der Findungsphase, spätestens während des Arrangierens sitzen).

Manchmal, und das ist genreabhängig, kommt es zu sehr interessanten Ergebnissen, wenn Kick und Bass in einer Gruppe mit Equalizer und Kompressor „vereint“ werden. Für meine Techno-Tracks finde ich es allerdings nicht vorteilhaft, hier brauche ich die Transienten, also die hörbaren Anschläge (Attack) der Kick, die sich im Gesamtbild durchsetzen sollten.

Sortiertes Arrangement in Ableton 10.
So ähnlich sollte das Live Projekt organisiert sein.

Wer einen eher schwächeren Rechner nutzt oder zu viele Plugins in die Kanäle des eigenen Werkes gelegt hat, sollte die einzelnen Spuren einfrieren oder sogar als Audiodatei bouncen. Denn die CPU-Power wird jetzt für den letzten Schliff am Song gebraucht. Gute Mix- und Mastering-Plugins verbrauchen unheimlich viel davon. Wir wollen Qualität, und die muss eben berechnet werden. Also hört euch den Track – falls möglich mit einer zweiten Person – nochmals durch,überlegt, was ihr nicht mehr bearbeiten wollt, und schließt die kreative Phase endgültig ab.

Wer sich doch alle Optionen offenhalten möchte, kann in der Mix-Phase auch den Pufferspeicher und somit die Latenzen nach oben schrauben. Denn niedrige Latenzen sind lediglich während des Einspielens von Instrumenten wichtig. Beim Mixen benötigt ihr diesen Vorteil nicht mehr (die Latenzkompensation hält trotzdem immer jede Bewegung und Berechnung an der richtigen Stelle). Wer die Möglichkeit hat, mit externen Effekten zu mischen, der braucht sich hierüber keine Gedanken zu machen.

Ganz wichtig ist die Überprüfung von „Fade-In“ Zeiten bei Audiospuren, die Live „automatisch" bei Audio-Loops setzt, die in das Arrangement Fenster gezogen wurden. Hier zoomt ihr im Arrangement-Fenster auf den Anfang und das Ende einer Audiospur, um die nicht gewollten Fade-Ins zu entfernen. Ganz wichtig ist, die Spuren vom ersten Takt an (also von der „1“) bis zum absoluten Songende (den Ausklang nicht vergessen!) in Audiodateien zu wandeln. Ich addiere gerne nochmals drei bis vier „leere“ Takte vor der eigentlichen „1“, sodass ich sicher die komplette Spur erhalte. In den Ableton Live Record Preferences solltet ihr vor dem Freezen sicherstellen, dass die höchstmögliche Bitauflösung (maximal sind 32 Bit möglich) ausgewählt ist.

Somit gibt es so gut wie keine Verluste während der weiteren Bearbeitung des Audiomaterials. Einfacher für den späteren Mix ist es, die einzelnen Gruppen als exportierte Audiospuren zu nutzen. Der Nachteil ist hier natürlich, dass ihr dann nicht mehr auf falsch eingeteilte Spuren separat zugreifen könnt. Hier ist Erfahrung gefragt und die angesprochene akribische Vorauswahl der Stems.

Und nun ans Eingemachte: Pegelt euren Masterregler bei 0 dB ein. Dieser darf während der Mix- und Mastering-Prozedur nicht von dieser Stelle bewegt werden. Danach markiere ich alle Kanalspuren und ziehe die Fader gemeinsam so weit nach unten, bis das Durchschnittslevel des Peakmeters des Masterkanals bei zirka -6 dB liegt. Einige Transienten dürfen natürlich über diese Grenze treten, aber sollten auf keinen Fall in den roten Bereich schießen. Das müsst ihr sehr genau prüfen! Falls ihr unsicher seid, zieht die Fader vorsichtshalber nochmals um ein bis zwei Dezibel leiser. Je mehr Headroom ihr lasst, desto mehr Platz habt ihr zum Mastern – und bei 32 Bit Auflösung entstehen so gut wie keine ungewünschten Artefakte.

Der erste große Arbeitsschritt ist die Trennung der Frequenzbereiche meiner Gruppen. Das heißt, ich entferne jegliche Frequenzen, die in dieser Gruppe nichts verloren haben. Hierzu nehme ich mein Lieblings-Equalizer-Plugin Fabfilter Pro-Q 3. Die Oberfläche besitzt einen Analyzer, der die Frequenzen sichtbar werden lässt. Zwei Regeln gibt es für die Nutzung von Equalizern auf Gruppen, an die man sich mehr oder weniger halten sollte: Bässe beschneiden, Höhen addieren (und nicht umgekehrt!) und Frequenzen breitbandig anheben, aber schmalbandig absenken. Damit fahrt ihr meist richtig, denn der Sound wird somit nicht „falsch“ verbogen und verliert nicht den eigentlichen Klangcharakter.

Techno-Mixing: Der Equalizer Pro Q3 von Fabfilter.
Das wichtigste Tool in meinem Audio-Werkzeugkasten

Jetzt schneide ich bei meiner Höhengruppe, die sich aus Hihats, Shaker, Noise Sweeps und anderen Wind-Effekten zusammensetzt, mit einem 12 dB flankensteilen Low Cut Filter (oder High Pass) die Bassfrequenzen so weit ab, sodass ich es gerade nicht im Gesamtkontext des Songs merke. Damit eliminiere ich die wirklich ungenutzten Bassanteile dieser Spuren. Die Hihats alter Drumcomputer, wie zum Beispiel meine geliebte Roland TR-909 (also auch Samples von diesen Maschinen), weisen unheimlich viele Bewegungen im Bassbereich auf, die in einem Song stören (also Energie fressen), gerade bei einer späteren Kompression der Summe. In eher minimalen Techno-Tracks bringen diese Bassfrequenzen und Bewegungen eine gewisse Lebendigkeit in einen Titel und sollten deswegen nicht so stark abgeschnitten werden. Das müsst ihr künstlerisch mit euren Ohren festlegen.

Falls ich beim Techno-Mixing merke, dass immer noch zu viele störende Frequenzen in meiner Höhengruppe vorhanden sind, gehe ich hierauf mit einem zweiten Filter los. Dieses Mal nutze ich keinen radikalen Cut, sondern einen Low Shelf Filter (auf deutsch: tiefer Kuhschwanzfilter), um die „Wärme“ der Sounds nicht zu verlieren, aber trotzdem beeinträchtigende Frequenzbereiche ein wenig zu reduzieren oder besser gesagt abzusenken. Nach diesem Prinzip nehme ich mir die restlichen Gruppen zur Brust. Im nächsten Schritt geht es an das Verdichten der Spuren, das sogenannte Verkleben der Instrumente („Glue“). Das managt bei mir der Allround-Kompressor von U-He: Presswerk. Ausgeliefert wird dieses Plugin mit vielen nützlichen Presets, die ich gerne als Ausgangspunkt für meine Spuren nehme.

Techno-Mixing: Der Kompressor Presswerk von U-He.
Dieser Kompressor emuliert einfach alles!

Das Preset sollte natürlich zu den Sound-Eigenschaften des Kanals passen, also ein Overhead-, Hihat-Preset für die Tops und Bass Patches für den unteren Frequenzbereich. Die Gruppen komprimiere ich leicht an mit einer Ratio zwischen 2 bis 3 und einer Threshold-Einstellung bis zu einer maximalen Reduktion von zirka zwei Dezibel. Diesen Wert zeigt die Ausschlagsanzeige (VU-Meter) in eigentlich jedem guten Kompressor (-Plugin). Starke Kompressionen und Sidechain Routings sollten in der Soundfindungsphase erledigt worden sein. Als Special FX setze ich gerne Stereoverbreiterungs-Plugins wie zum Beispiel das Vengeance VMS Stereobundle auf die Overhead und Mitten/Synthesizer/FX Gruppe. Diesen Effekt bitte vorsichtig behandeln und die Korrelationsgradanzeige im Auge behalten, die sich nur in dem Bereich von +1 (mono) und 0 (100 % Stereo) aufhalten darf. Den Bassanteil der Kickdrum, der Bassline und anderer Instrumente, die sich in diesen Bereichen aufhalten (Rumble), solltet ihr unterhalb von zirka 150-200 Hertz Mono ziehen, um Phasenprobleme zu vermeiden. Das funktioniert sehr effektiv mit dem Ableton-eigenen Utility Tool. Hier könnt ihr die Frequenz wählen und müsst den „Bass Mono“-Schalter aktivieren.

Der VMS von Vengeance.
Mono oder Stereo – das ist hier die Frage.

Am Ende des Techno-Mixing solltet ihr das Frequenzspektrum eurer Mix-Summe analysieren und mit ähnlichen fertig produzierten Titeln von Beatport, iTunes etc. vergleichen. Das ist sehr wichtig, wenn man seinen eigenen Raum noch nicht hundertprozentig kennen sollte, mit Kopfhörern arbeitet oder selten die Möglichkeit, hat den eigenen Mix auf einer großen Musikanlage in einem Club zu hören. Hier kann tatsächlich auch mal das „Auge“ helfen, die einzelnen Teilbereiche eures Tracks in der Lautstärke anzugleichen.

Jetzt nach dem Techno-Mixing sollte alles soweit sitzen und wir kommen zum Mastering des eigenen Techno-Tracks, das ich im nächsten Teil erklären werde.

Veröffentlicht in Workshops und getaggt mit 2pole , Ableton Live 10 , Beatport , Fabfilter Pro-Q 3 , https://www.dj-lab.de/test-ableton-live-10/ , iTunes , Mixing , Produzieren , Techno , U-He Presswerk , Vengeance VMS , workshop

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